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Zum Feierabend

Eine Kirche wie ein Schiff

Der Innenraum der katholischen Kirche in Schwaigern wird von den Fenstern des ungarndeutschen Künstlers Josef de Ponte geprägt
Eine Kirche wie ein Schiff
Martinusfenster in Schwaigern
Foto: Klaus J. Loderer
Betritt man die katholische Kirche St. Martinus in Schwaigern fällt der Blick auf die beiden, den Altarraum flankierenden großen Buntglaswände. Die Kirche wurde 1962 bis 1964 nach dem Entwurf des Architekten Bauer aus Heilbronn errichtet. Eine Kirche war nötig geworden, nachdem sich durch die Heimatvertriebenen die Zahl der Katholiken in Schwaigern stark vermehrt hatte. 1965 wurde Schwaigern eine eigene katholische Kirchengemeinde. Bei dem modernen, an ein Schiff erinnernden Kirchenbau staunt man über die gotischen Bauteile, darunter einige Maßwerkfenster. Besonders das Sakramentshaus ist ein Meisterwerk gotischer Steinmetzkunst.

Diese gotischen Elemente stammen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts abgerissenen Martinskirche im benachbarten Gemmingen und kamen durch Vermittlung des Grafen Hubertus von Neipperg nach Schwaigern. Die Werktagskapelle ist durch zwei dieser Maßwerkfenster mit farbenfrohen Glasmalereien geprägt. Josef de Ponte hat diese beiden Glasbilder geschaffen, die als Stiftung der Grafen Neipperg entstanden. Das linke Fenster zeigt den hl. Martin, der mit seinem Schwert seinen Mantel teilt, und vor ihm einen knienden Bettler. Durch die gotische Fenstergliederung stand de Ponte nur ein schmales Feld zur Verfügung. Er schneidet die Figur deshalb so an, dass es wirkt, als würden wir durch die gotische Fensterarchitektur in einen benachbarten Raum blicken. Er setzt die Bleistege deshalb so, dass die Wirkung eines Fußbodens entsteht. Durch die ähnlichen Farbtöne in den Feldern links und rechts entsteht eine Zusammengehörigkeit, auch wenn dort, wie in einem Triptychon, andere Szenen gezeigt werden: links Martin als Prediger, den wir ungewöhnlicher von hinten sehen, wie er mit erhobenen Armen zu den Menschen spricht, und rechts die Überreichung der Bischofsinsignien Mitra und Bischofsstab. Durch die unterschiedlichen Größen der Figuren entsteht eine räumliche Wirkung. So rückt der mittlere Martin nach vorn und die beiden seitlichen Darstellungen rücken nach hinten. Allerdings entsteht auch eine Hierarchie, was wieder eine Referenz an mittelalterliche Darstellungen bildet. Die dominierende Farbe des Bildgrundes ist wie oft bei Josef de Ponte blau. Dieser kühle Ton kontrastiert mit dem warmen Rotton des Mantels im mittleren Feld. Der blaue Grundton findet sich auch beim Adalbertfenster, das einen Bezug zu Ungarn und zur Grafenfamilie hat. Der hl. Adalbert ist im mittleren Feld als Bischof bei der Taufe des ungarischen Fürsten Géza dargestellt. Gézas Sohn war dann der erste König Ungarns, Stephan der Heilige. Der Bezug zur Stifterfamilie liegt darin, dass ein Familienmitglied, Adalbert von Neipperg, der 1929–1934 Abt der Benediktinerabtei Neuburg war, nach einer Tätigkeit als Sanitäter im Zweiten Weltkrieg 1948 in Werschetz (Vršac) in Jugoslawien (heute in Serbien) ermordet wurde.

Einen Durchblick zum Windfang schafft ein kleines Fenster in Betonglas. Mesner Andreas Geng weist darauf hin, wo die beiden Maßwerkfenster früher waren, nämlich in einem Verbindungsgang, der zur früher im Erdgeschoss des Turms gelegenen Taufkapelle führte. Die Verbindung zum Turm wurde bei der Renovierung 1996 gekappt. Dieser Taufkapelle spendete ein weiteres gotisches Fenster Licht, das kleine gotische Rundfenster mit Maßwerk in Form einer sog. Fischblase. Josef de Pontes fügte eine Taube als Symbol des Heiligen Geistes ein. Das Fenster befindet sich heute über dem von ihm gestaltenen Kreuzweg an der Nordwand des Kirchenraums. Das weiter oben befindliche Fensterband ist nur noch von außen sichtbar. Es ist seit der Neugestaltung der Decke verdeckt.

Überhaupt wurde der Kirchenraum bei der Renovierung 1996 stark verändert. Pfarrer Dr. Alois Schenk-Ziegler erzählt, dass damals die Ausrichtung der Kirche gedreht wurde. Was heute die Sakristei ist, war früher der Eingangsbereich und wo heute die Werktagskapelle ist, war früher der Altarbereich. Bei der Renovierung wurde der Innenraum gedreht. Im Osten entstand die Werktagskapelle und darüber die Orgelempore. Die alte Orgelempore an der Westseite wurde entfernt. Der Eingang wurde von der Westseite an die Nordostecke verlegt. Der früher offene Vorbereich wurde geschlossen und in Büros des Pfarramts umgewandelt. Außerdem wurde im Kirchenraum die Decke abgehängt. Die an mittelalterliche Gewölbe gemahnende Decke, die eine Baldachin über dem Altarbereich bildet, hat das Volumen des Raums stark verringert. Allerdings sei die Akustik problematisch, da sind sich Mesner und Pfarrer einig.

Dann kommt Pfarrer Schenk-Ziegler auf die Fensterwände zu sprechen. Zu den dominierenden Elementen des modernen Baus gehören die Betonglasfenster Josef de Pontes von 1964. Die Fensterwände flankierten ursprünglich den Eingang, während sie heute seitlich des Altars zu sehen sind. Es handelt sich um insgesamt zehn raumhohe Fensterstreifen, die den Raum belichten und zusammen das Kunstwerk »Credo« bilden. Je fünf sind zu einer Fensterwand zusammengefasst. Jeder Fensterstreifen hat ein Thema aus dem Glaubensbekenntnis. Auf der südlichen (linken) Seite sind das Gott Vater, der Sohn, der Heilige Geist, der Gekreuzigte und das leere Grab, auf der nördlichen (rechten) Seite sieht man den Auferstandenen, das Bekenntnis zur Taufe, Maria als Urbild der Mutter Kirche und das himmlische Jerusalem. Auffällig ist, dass sich die Bildmotive auf den unteren Teil der Fensterstreifen beschränken. Doch das hat seinen Grund. Der Pfarrer erwähnt, dass die Bildwände vor der Umgestaltung der Kirche von der Empore horizontal durchschnitten wurde. Deshalb hat Josef de Ponte den oberen Teil der Fensterwände schlichter gehalten.

Die unteren Teile sind somit auf Nahsicht gestaltet für Betrachter, die direkt an den Bildern vorbeigingen, genauer gesagt für die dem Ausgang zustrebenden Gottesdienstbesucher, während die oberen Teile der Fensterwände auf Fernsicht gedacht waren. Sieht man in den unteren Teile insgesamt zehn Einzelbilder so sind im oberen Bereich die beiden Fensterwände durch Bogenmotive zusammengefasst.

Für die Kirche schuf Josef de Ponte nach der Renovierung 1998 auch einen Kreuzweg. Bei diesem Sgraffitobild reduzierte er die Farbpalette stark. Neben dem Weißton der Wand setzte er nur Schwarz und einen Ziegelton ein. Die Abfolge geht von rechts nach links. So geht der Blick schließlich auf die große Glaswand. Der Kreuzweg ist als durchlaufendes Band gestaltet. Allerdings stellt man bei genauer Betrachtung fest, dass er in drei Gruppen zerlegt ist. Die einzelnen Motive entsprechen nicht den üblichen vierzehn Stationen von Pilatus bis zur Grablegung. Vielmehr beginnt dieser Kreuzweg mit der Dornenkrönung und endet mit dem leeren Grab, auf dem ein Engel sitzt. Dessen erhobene rechte Hand soll wohl auf die Auferstehung hinweisen. Bei der Abfolge hat Joef de Ponte die Szenen stark miteinander verschränkt, sie gehen ineinander über, wodurch fast der Effekt eines Daumenkinos entsteht.

Andreas Geng führt mich noch in den Gemeindesaal unter dem Kirchenraum. Auf der Bühne hegt er einen besonderen Schatz. Durch eine private Stiftung hat die Gemeinde zwei von Josef de Ponte geschaffene Bleiglasfenster erhalten. Sie harren nun der Restaurierung. Am Eingang zum Pfarrbüro ist noch ein Bild de Pontes zu finden, ein Sgraffitobild des hl. Martinus.
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