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Kultur

Witzige Neuinterpretation einer Oper, die Haydn für Eszterháza schrieb

Festspielpremiere der Bayerischen Staatsoper: spannendes Theater bei Joseph Haydns heroisch-komischer Oper »Orlando paladino« im Prinzregententheater München
Witzige Neuinterpretation einer Oper, die Haydn für Eszterháza schrieb
Haydns »Orlando paladino« im Prinzregententheater München
Foto: Wilfried Hösl
Wie ein Film auf ein Kino übergreift und es letztlich geradezu einsaugt, kann man in witziger Weise in der Neuproduktion von Joseph Haydns »Orlando paladino« sehen, die im Rahmen der Münchner Opernfestspiele der Bayerischen Staatsoper im Prinzregententheater in München am 23. Juli Premiere hatte. Regisseur Axel Ranisch hat die schon im Libretto von Nunziato Porta verwickelte Handlung noch etwas komplizierter gemacht und um zwei weitere Personen ergänzt, über die sich gewissermaßen die Opernhandlung ergießt. Es handelt sich zwar eigentlich um ein Ritterstück nach Ariosts »Orlando furioso« (Der rasende Roland), das zur Zeit Karls des Großen spielt, doch ist bei Haydns »Orlando paladino« (Ritter Roland) die Gattungsbezeichnung eroico (heroisch) noch um ein comico (komisch) erweitert, weswegen es schon in der Oper nicht dauerhaft ernsthaft zugeht sondern zuweilen recht komisch. Dass die Besetzung geradezu weltumspannend ist – eine chinesische Königin, die einen Sarazenen-Kämpfer liebt, auf den ein fränkischer Ritter eifersüchtig ist, der von einem König aus Nordafrika zum Kampf gefordert wird, die nun irgendwo aufeinandertreffen, das ist geradezu eine Steilvorlage für den phantasiebegabten Regisseur, das Stück zu überzeichnen. So erleben wir eine Ausstattungsoper ungewöhnlicher Art. Und vom Ritter bis zum orientalischen Fürsten sehen wir alles. Das passt sowieso gut, hat man doch überhaupt den Eindruck, dass der Auftraggeber von damals, Fürst Esterházy, bei den vielen Szenenwechseln hauptsächlich daran interessiert war, dass möglichst viele Bühnenbilder in seinem privaten Opernhaus gezeigt wurden. Dazu hat Haydn seinem Chef eine effektvolle Musik geschrieben. Und die hat Dirigent Ivor Bolton mit dem Münchner Kammerorchester fein und kurzweilig erarbeitet und zeigt damit, dass Haydns Musik durchaus nicht langweilig ist. Und eine erstklassige Sängerriege sorgt für Freude.

Ein Filmplakat mit der Ankündigung »Medoro und Angelica« stimmt uns im Prinzregententheater während der Ouverture auf die Oper ein. Schon wieder Oper als Schwarzweißfilm gähnt man da etwas, denn Medoro und Angelica sind natürlich zwei Hauptpersonen der Oper, genauer gesagt das Liebespaar. Doch es kommt besser. Viel besser. Denn der Film während der Ouverture hat erst einmal nichts mit der Oper zu tun. Wir sehen im Film ein Kino in München, es ist das Neue Rex-Kino in Laim. Familie Herz trifft sich davor und geht ins Kino. Schnell erkennen wir, dass Gabi und Heiko Herz, gespielt in stummen Rollen von den Schauspielern Gabi Herz und Heiko Pinkowski, die Kinobetreiber sind, ein glückliches Ehepaar – zumindest vor dem Kino. Innen vergnügt sich Gabi dann mit dem Hausmeister Licone (Guy de Mey) während Heiko einem Fotokalender seines Lieblingsfilmstars Rodolfo Rodomonte bewundert. Der Fotokalender taucht als Corpus Delicti noch öfters auf. Man kann ihn übrigens am Programmheftestand erwerben. Das Töchterchen schüttelt über ihre Eltern nur den Kopf. Eurilla putzt den Flur und ist dann in echt auf der Bühne zu sehen.

Bühnenbildner Falko Herold hat uns das Foyer eines Kinos nachgebaut. Links die Kasse, rechts die Bar, wohl Motive aus dem echten Rex. In der Mitte zwei Durchgänge mit großen Porträts von Medoro und Angelica darüber. Alles etwas altmodisch und gemütlich. Mit ganz normalen Leuten. Noch. Denn während Eurilla putzt und die Besucher zum Film kommen (drei an der Zahl!), platzt plötzlich ein aufgeregter Mann im gelben Anzug herein, der Licone niedermacht und alle mit Eurillas Wischmob bedroht. Der Wüterich ist Rodomonte (ausdrucksstark der französische Bass-Bariton Edwin Crossley-Mercer) auf der Suche nach Orlando. Aus der schicken Einkaufstüte packt Heiko Kettenhemd und Gürtel aus und staunt über die Tätowierung eines Vogelschädels auf der muskulösen Brust von Rodomonte (Teile des Publikums seufzen). Das Motiv taucht in der Inszenierung immer wieder auf. Man hat schon erkannt, dass es sich bei dem geschniegelten »Ritter« um den Filmhelden aus dem Fotokalender handelt. Mit dem Berberfürst kommt erstmals ein surreales Moment in die Inszenierung. Dass er an Rodolfo Valentino erinnern soll, ist eines der vielen kleinen Zitate, die der Regisseur immer wieder einbaut.

Dann schieben sich die Seitenwände auseinander und wir landen im Kinosaal. Eine Bühne, flankiert von zwei mit Vorhängen versehenen Türen, eine Kinobestuhlung, in der nun die drei Besucher Platz nehmen. Der Film fängt an: »Medoro und Angelica«, mit dem Untertitel »Ein sehr guter Film«, womit Axel Ranisch auf seine Produktionsfirma »Sehr gute Filme« anspielt. Doch es bleibt keine normale Kinoaufführung, denn schon bald greift der Film auf das Kino über.

Die Film-Angelica schmachtet nicht nur im Film dekorativ in wallender Robe (Kostüme Falko Herold) sondern tritt aus dem Film hervor und spaziert parallel leibhaftig über die Kinobühne, sie muß ja singen. Und das tut die aus Rumänien stammende Sopranistin Adela Zaharia überaus eindrucksvoll. Ein wunderbarer Ausdruck und eindrucksvolle Koloraturen sind ihr eigen.

Doch dann das Unglück. Der Film schmort durch. Feuerzauber. Auftritt Alicina in geradezu barocker Theatralik. Die brave Tochter hat sich in eine Gothic-Zauberin verwandelt und Tara Erraught mischt nun eifrig mit. Und das tut die irische Mezzosopranistin mit viel Leidenschaft und einem Schuss Ironie und einer ausdrucksvollen Stimme. Als verzweifelter Filmvorführer mit Filmspule und zerrupftem Film wuselt auch Heiko herum. Zu allem Unglück malt Medoro (mit feinem Tenor und schöner Höhe Dovlet Nurgeldiyev) auch noch Herzen auf die Bestuhlung und sinkt dann mit Angelica zum Liebesspiel zwischen den Stuhlreihen nieder. Aber eigentlich will man vor Orlando fliehen, der auch in Angelica verliebt ist und sie verfolgt. Und noch eine eigentümliche Gestalt kommt ins Kino. Er stellt sich als Orlandos hungriger Knappe Pasquale vor, der sich sofort in Eurilla verliebt. [...]
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