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Berichte aus Ungarn
Regierungsbildung
Bisheriger Wirtschaftsminister Bajnai neuer Ministerpräsident

Budapest – Ungarn hat eine neue Regierung. Nach dem überraschenden Rücktritt des bisherigen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány wurde der parteilose Gordon Bajnai am 14. April im Zuge eines konstruktiven Misstrauensvotums zum Ministerpräsidenten gewählt. Gyurcsány selbst hatte seinen bisherigen Wirtschaftsminister als Nachfolger vorgeschlagen. Insgesamt stimmten 204 der 386 Abgeordneten der Nationalversammlung für Bajnai. Acht Abgeordnete enthielten sich. Es gab keine Gegenstimmen, da die konservative Oppositionspartei Fidesz der Abstimmung fern blieb.
Mit dem konstruktiven Misstrauensvotum bleibt die MSZP vorerst weiter an der Regierung. Die Übergangsregierung soll bis zu den Parlamentwahlen 2010 im Amt bleiben. Schon vor der Regierungsbildung hatte Bajnai einen härteren Reformkurs angekündigt. Sich selbst bezeichnete Bajnai als: »Krisen-Manager ohne politische Ambitionen«.
Die deutschsprachige »Budapester Zeitung« kommentierte dies kritisch: »Die Regierung Bajnai ist angetreten, das schier Unmögliche zu versuchen. Ausgehend von einem in der neueren ungarischen Geschichte beispiellos niedrigen Popularitätsniveau muss sie einen gewaltigen Aufgabenberg abarbeiten. Gegen einen Erfolg ihrer Mission Impossible sprechen im Moment mehr Gründe als für ihn.«
Sechs neue Minister holte Bajnai in sein Kabinett. So betraute er mehrere parteilose Experten mit Regierungsaufgaben. Den Generaldirektor der ungarischen Filiale der internationalen Buchprüfungsfirma Deloitte, Péter Oszko, holte Bajnai als Finanzminister und den früheren EU-Kommissar Péter Balázs als Außenminister. Von einer Berufung des Präsidenten der deutsch-ungarischen Industrie- und Handelskammer, des Software-Unternehmers Tamás Vahl, der eigentlich als Wirtschaftsminister vorgesehen war, musste Bajnai absehen. Neuer Kandidat ist István Varga.
Das neue Kabinett setzt sich wie folgt zusammen: Gordon Bajnai (Ministerpräsident), Péter Balázs (Äußeres), Tibor Draskovics (Justiz), József Gráf (Landwirtschaft und ländliche Entwicklung), László Herczog (Soziales und Arbeit), István Hiller (Bildung und Kultur), Péter Hónig (Verkehr, Telekommunikation und Energie), Csaba Molnár (Kanzleramt), Péter Oszko (Finanzen), Imre Szabó (Unwelt und Wasser), Tamás Székely (Gesundheit), Imre Szekeres (Verteidigung), Zoltán Varga (lokale Selbstverwaltung), Ádám Ficsor und Péter Kiss (ohne Port-folio).
kjl

Zur Person
Gordon Bajani

György Gordon Bajnai wurde am 5. März 1968 geboren. Er gehörte vor der Wende dem sozialistischen Jugendverband an und studierte ab 1991 an der Budapester Universität für Wirtschaftswissenschaften. Er ging dann in die Privatwirtschaft. 2000 bis 2005 war er Vorstandsvorsitzender des Wallis-Konzerns. Bajnai wurde 2003 vom ungarischen Industriellenverband zum »Jungmanager des Jahres« gewählt. Bajnai ist verheiratet und hat zwei Kinder. In die Politik ging er 2006, als er von Ministerpräsident Gyurcsány zum Regierungskommissar für Entwicklungspolitik der Nationalen Entwicklungsagentur ernannt wurde. Ein Jahr später kam er als Minister für lokale Selbstverwaltung und regionale Entwicklung in die Regierung. 2008 wurde er Minister für nationale Entwicklung und Wirtschaft.

Programm des neuen Ministerpräsidenten
Es werde »weh tun«, und zwar allen Familien in Ungarn. Bei seiner ersten Pressekonferenz als designierter Regierungschef redete Gordon Bajnai mit düsterer Miene Klartext. Bajnai, auf den sich die MSZP und SZDSZ als Nachfolger des desillusionierten und glücklosern Ferenc Gyurcsány verständigen konnten, will bis zu den Parlamentswahlen im Frühjahr 2010 den ungarischen Augiasstall ausmisten und das Land aus der schweren Wirtschaftskrise herausführen. Für Noch-Wirtschaftsminister Bajnai heißt das vor allem: Sparen, sparen, sparen. Grund für den Sparzwang ist der Umstand, dass die Rezession in Ungarn tiefer sein wird als zu Beginn des Jahres erwartet wurde. Bajnai verlangt von den Abgeordneten von MSZP und SZDSZ, dass sie sein Programm bedingungslos unterstützen.

Demonstration gegen neue Regierung
Budapest – Nach der Wahl des neuen Ministerpräsidenten demonstrierten mehrere Tausend Gegner vor dem Parlament. Auch vor dem Amtssitz des Staatspräsidenten gab es eine Demonstration, die vorgezogen Neuwahlen forderte. Später versuchten rechtsextreme Demonstranten die Absperrungen rund um das Parlament zu durchbrechen und bewarfen die Polizisten. Es gab fünf Festnahmen. Nach Berichten seien lebende Gänse über die Absperrungen geworfen worden. Eine EU-Flagge sei angezündet worden.

Ildikó Lendvai
Budapest – Als einzige Kandidatin für den Parteivorsitz wurde Ildikó Lendvai vorgeschlagen und sie wurde auf dem MSZP-Parteitag am 5. April auch mit 91 % der Stimmen gewählt. Ferenc Gyurcsány wurde der Vorsitzende der Táncsics-Stiftung, die der Partei nahe steht. Er verfolgt unbeirrt das Ziel, die MSZP zu modernisieren.

»Affentheater«
Ziemlich chaotisch muss die Nominierung des neuen Ministerpräsidenten zugegangen sein, als Ferenc Gyurcsány seinen Rücktritt ankündigte. Da es auch an die Öffentlichkeit gelangte, dass irgendwie niemand scharf sei auf das Amt des Regierungschefs, kursierten schon bald entsprechende Witze. Darunter etwa der, dass man sich gegenseitig fragte, ob man nicht vom bisherigen Amtsinhaber per SMS gefragt worden sei, ob man nicht Ministerpräsident werden möchte. Einer der Gefragten soll seine Absage so begründet haben: »Ich erwerbe mir doch nicht in über fünfzehn Jahren und Reputation und Respekt, um beides dann in fünf Minuten zu verspielen«. Es sei ihm nicht so wichtig, in seinem Lebenslauf »Ministerpräsident a.D.« stehen zu haben. Angeblich soll Gordon Bajnai der dreizehnte Gefragte sein. Der »Pester Lloyd« bezeichnete die Suche nach dem neuen Regierungschef am 1. April als »Affentheater«.

13.440 Deutsche nach Ungarn eingewandert
Etwa 13.440 Deutsche haben sich vorwiegend in der Zeit nach der politischern Wende in Ungarn niedergelassen. 2960 davon leben in Südtransdanubien. In loser Form berichtet die Balaton Zeitung über Leben und Arbeit dieser »neuen Deutschen in Ungarn«. Seit eh und je war Waldemar Leinz (69) auf Selbständigkeit. So weit wie möglich unabhängig sein, bedeutete ihm schon als Jugendlicher mehr als alles andere. Vom gelernten Automechaniker brachte er es sehr früh zum erfolgreichen Unternehmerdasein als Inhaber eines Autohauses im Badischen. Und dieser Mut brachte ihn, wie er es immer im Rückblick selbst sieht, viel später auch dazu, alles aufzugeben und in Ungarn noch einmal einen Anfang zu wagen. »Es war ein hartes und risikobehaftetes Geschäft, damals als Händler für die Volkswagen AG«, meint er. »Die Wende im Osten und die Wiedervereinigung Deutschlands bot mir dann eine neue Chance. Mit seiner Frau Erzsébet, einer Ungarin, ging Waldemar Leinz ins »Paradies« Ungarn. Szekszárd und Umgebung kamen in Frage, denn von dorther stammt die Ehefrau, hier fühlt sie sich zu Hause und kennt sich aus. In Bárányfok am Rande des Gemenc-Waldes, einer der wohl reizvollsten Gegenden in der Umgebung von Szekszárd sollte die neue Heimat erobert werden. Aus staatlichem Eigentum kaufte Leinz 15 Hektar Boden, auf dem heute das Gemenc-Ausflugszentrum zu finden ist. Wo vor der Wende die bedeutendsten Jagdreviere von Partei- und Staatsführung lagen, gibt es heute für Urlauber und Wanderer jede Menge Möglichkeiten, Wald, Luft und Wasser zu genießen. Im Überschwemmungsgebiet der Donau bietet sich dem Auge eine einmalige, urwaldartige Vegetation mit zahlreichen Arten von Wild, Vögeln und Fischen.
WH

Leben in Bátaszék
Die Renovierung des Rathauses ist bis auf den Fassadenanstrich, der bei trockenem Wetter angebracht werden soll, abgeschlossen. Die Erneuerung des Daches und des Dachstuhls des Heimatmuseums ist abgeschlossen, weitere Verbesserungen im Innern des historischen Gebäudes folgen im Lauf des Jahres. Bei Denkmalschutztagen in Lipcse erwies sich das Heimatmuseum als Vorzeigeobjekt. Ein Fachmann erklärte die geschichtliche Bedeutung von Funden beim Bau der in der Nähe entstehenden Autobahn.
Allgemein ist man in der Stadt weiterhin gegen das eventuelle Ausbeuten von Uran in der Umgebung Bátaszéks, wenngleich die Unternehmer mit dem Schaffen von Arbeitsplätzen und Gewerbesteuerzahlungen locken. Man befürchtet schlimme Eingriffe in die Landschaft und eine eventuelle Wasserverseuchung. Man will keine »Katastrophe ausbaggern« lassen. Die Stimmung geht so oder so gegen Atomstrom und man will wie im ganzen Land auf regenerative Energie setzen. Schließlich sei der Atomstrom bei der Beachtung aller Faktoren auch nicht billiger.
Der Fasching wurde in Bátaszék mit einem musikalisch begleiteten Umzug durch die Stadt und einem Tanzabend im Kulturhaus gefeiert, wozu viele sich fantasievoll verkleidet haben oder in alten Trachten erschienen. Das ganze Geschehen wurde von der Bürgerwache betreut, die 2008 über 580 Einsätze hatte und dafür Auszeichnungen erhielt.
Für Obdachlose und besonders Arme hat die Stadt einen geheizten Aufenthaltsraum eingerichtet, in dem von November bis März ein Frühstück und ein warmes Mittagessen gereicht werden. Finanziert wird die Hilfe weitgehend durch Spenden, zu denen aufgerufen worden war.
Die Abschlussklassen des Gymnasiums durften zu einem Konzertbesuch und einzelne Klassen der Grund- und Hauptschule zum Eislaufen nach Pécs fahren.
Gustav Bächler/Adelheid Teiber

Skeptische Ungarn
Nur 46 Prozent der Ungarn sind mit ihrem Leben zufrieden. Das zeigte die jüngste Erhebung von Eurobarometer. Damit steht das Land in dieser Hinsicht – wie schon im Vorjahr – an vorletzter Stelle unter den 27 Staaten der EU. Nur die Bulgaren beurteilen ihre Lage noch schlechter. Im Durchschnitt sind 76 Prozent der EU-Bürger zufrieden. Besonders deutlich trifft das auf Niederländer und Skandinavier zu. Was die Union betrifft, sind die Ungarn ähnlich skeptisch wie die Briten: Vor dem Beitritt 2004 befand mehr als die Hälfte der Magyaren diesen als einen guten Schritt, doch heute sind nur noch 31 Prozent dieser Meinung. Während die Wähler der Linken die EU-Mitgliedschaft wesentlich höher schätzen als die der Rechten, ist die Mehrheit, was Europa betrifft, neutral. Übrigens denken die meisten Ungarn, dass ihre Kinder es noch schwieriger haben werden, als sie es heute haben.
WH

Ungarn in Zahlen
Das deutschsprachige Wochenblatt Pester Lloyd bringt in der Nummer 10 einen allgemeinen Überblick über die statistische Lage in Ungarn. Es stellte sich heraus, dass um die Wende 2008-2009 350.800 Menschen arbeitslos gemeldet waren. Es gab massenhafte Meldungen über Entlassungen. Ein Ungar kauft pro Jahr für 177 EUR Medikamente. Im Jahre 2007 stieg der Kauf von Medikamenten um 6,6 %. Die Ungarn gaben danach 523,5 Mrd. HUF für insgesamt 318 Mio. Packungen aus. Im Jahre 2008 wurden in Ungarn 99.200 Babys geboren, 1,6 % mehr als 2007. Die Bevölkerung des Landes ging um 30.800 zurück. Im Jahr 2008 stieg die Zahl der registrierten Obdachlosen von 843 auf über 7.000 an. Dennoch sprechen Zivilorganisationen von einer hohen Dunkelziffer und nennen bis 25.000 Menschen in Ungarn obdachlos. Während das Netz von Hilfseinrichtungen in Budapest schon relativ eng ist, lebt der Großteil der Obdachlosen in zahlreichen anderen Städten Ungarns vorwiegend auf der Straße.
WH
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