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Andreas Ormos – der Chronist Kaltensteins (Levél) ist gestorben

Andreas Ormos – der Chronist Kaltensteins (Levél) ist gestorben
Andreas Ormos
faz
Noch Ende August berichtete er mir stolz am Telefon er habe mit der Sense auf der Wiese Futter für die Hasen seiner Enkel gemäht und es habe ihn dabei erstmalig »hingehauen«, sodass er beinahe nicht wieder hoch gekommen sei! Bis zur letzten Nummer 10–12.2022 der Heimatzeitung Unsere Post hat er seit 1954 ganz regelmäßig über die Kaltensteiner berichtet, Geburtstage und Todesnachrichten; regelmäßig auch im Jahrbuch »Unser Hauskalender« über das bäuerliche Leben in Kaltenstein, über die berühmte Viehzucht in Kaltenstein, über seine Erlebnisse in der Gefangenschaft in der Sowjetunion und in Ungarn. Nun liegt es an uns über ihn, sein Leben und seinen Tod zu berichten. Andreas ist nach kurzer, schwerer Krankheit am Sonntag, den 13. November nachmittags zu Hause, in seinem Eigenheim in Herrenberg-Gültstein, Karpatenstraße 21, friedlich eingeschlafen, nachdem er gut eine Woche vor seinem 95. Geburtstag ins Herrenberger Krankenhaus eingeliefert worden war.

Andreas Ormos, geboren am 17. September 1927 in Kaltenstein (Levél), wächst mit sechs Geschwistern auf dem Bauernhof der Eltern Josef Ormos und Eva geb. Hofbauer auf. Ohne vorherigen Kindergartenbesuch wird er Schüler der kath. Grundschule und von seinem Lehrer Erdös aufgrund seiner Begabung nach der 6. Klasse – nach anfänglicher Weigerung – am Piaristengymnasium in Ungarisch Altenburg (Magyaróvár) angemeldet. In dieser Zeit wurde an der kath. Grundschule nach dem sog. B-Zug unterrichtet, d. h. anfänglich deutsch und ab der zweiten Klasse zunehmend ungarisch. Auf dem Gymnasium erhielt er bereits nach den ersten Monaten Schulgeldbefreiung bis zum Ende seiner Schulzeit.

Sozusagen von der Schulbank weg wurde er, wie tausende seiner Landsleute aufgrund des Abkommens vom 14. April 1944 zwischen dem Deutschen Reich und der ungarischen Regierung als ungarischer Staatsbürger zur Waffen-SS, zusammen mit seinem Vater und seinen zwei älteren Brüdern, eingezogen. Nach Wehrausbildung und Einsatz in der Slowakei und Österreich erlebte er das Kriegsende im Waldviertel bei den Amerikanern, die ihn und seine Kameraden den Russen überstellten. Seine Kriegsgefangenschaft liest sich wie eine Odyssee quer durch Europa und verschiedene Sowjetrepubliken. Eine »Reise« von Österreich durch Ungarn und Rumänien bis Constanza am Schwarzen Meer, von dort per Schiff nach Odessa, weiter nach Sewastopol, Novosibirsk und schließlich bis Suchumi in Abchasien. Anfangs waren es Arbeiten an verschiedenen Orten zwischen dem Schwarzen Meer und dem Kaukasus im Wald, am Bau, am Straßenbau und bis November 1948 im Kohlebergwerk auf der Südseite des Elbrus-Gebirges. Weihnachten 1948 landete er nach einer Reise über Tiflis, durch Tschetschenien und entlang dem Kaspischen Meer schließlich in Stalingrad (Wolgograd), wo es galt die Kriegsreste zu beseitigen und an Neubauten zu arbeiten. Im Juni 1949 wurde er nach Woronesch am Don verlegt. Wegen seiner inzwischen bereits vorhandenen Kenntnisse der russischen Sprache wählten ihn seine Kameraden zum Brigadier. Dadurch durfte er auch russisch schreiben und lesen lernen, worauf ihm die Stelle als Lohnbuchhalter übertragen wurde. In diesem Lager traf er auch auf seinen Bruder Josef, der in Budapest in Gefangenschaft geraten war und über Leningrad (St. Petersburg) dort landete. Im November 1950 wurde Andreas Ormos zusammen mit über 1200 ungarndeutschen Kameraden nach Ungarn überstellt, wo sie aber keineswegs in Freiheit kamen. Sie wurden in Ungarn wieder interniert. Der ungarische Geheimdienst internierte sie in den Lagern Kazinc-Barcika (Erstellung eines Chemiewerkes) oder Tiszalök (Bau eines Wasserkraftwerkes) von 1950 bis Oktober 1953 unter völkerrechtswidrigen Bedingungen in einem Arbeits-Schweigelager. Im November 1953 wurde er aufgrund intensiver Bemühungen deutscher Politiker, amerikanischer Militärbehörden und nicht zuletzt aufgrund des Telefonats des Gründers der ungarndeutschen Landsmannschaft, Dr. Ludwig Leber, mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Imre Nagy, wie die meisten seiner gefangenen Kameraden, zu seinen bereits 1946 nach Deutschland vertriebenen Angehörigen entlassen.

Er traf am 17. November 1953 seine vertriebene Familie in Herrenberg-Gültstein wieder. Hier trat Ormos 1954 in den Polizeidienst von Baden-Württemberg ein, den er 1987 als Polizeihauptmeister beendete.

Andreas war mit seiner Frau Maria (Ria) seit dem 17. November 1956 verheiratet. Ria ist nach längerer Krankheit am 1. Mai 2021 verstorben. Aus der Ehe gingen vier Töchter, zehn Enkel und zwei Urenkel hervor.

Sehr bald schaltete er sich auf Ersuchen Dr. Lebers in die landsmannschaftliche Arbeit im Landesvorstand der LDU ein; sein besonderes Engagement galt seinen Landsleuten im Kaltensteiner Heimatkomitee, an der Spitze mit dem 1987 verstorbenen Altrichter und stellvertretenden Vorsitzenden der LDU Baden-Württemberg, Johann Zimmermann. Mit ihm gab er 1966 eine Kaltensteiner Chronik heraus. Von 1960 bis 2004 organisierte Ormos alle zwei Jahre die Kaltensteiner Heimattreffen, zuerst in Laufen am Neckar und ab ca.1980 in Herrenberg-Affstätt.

Er war Mitbegründer und Vorstandsmitglied in der Vereinigung ungarndeutscher Kriegsgefangener, der »Kameradschaft des 4. Oktober« und Mitverfasser des Buches über ihre Gefangenschaft in Tiszalök: »Gefangen, Geschunden und Verschwiegen«.

Er gehörte auch zum Komitee, das in Frauenkirchen im österreichischen Burgenland, nahe der alten Heimat, das Heideboden-Gedenkkreuz errichtete, und das 1984 in Anwesenheit zahlreicher Landsleute aus aller Welt und prominenter Politiker aus dem Burgenland eingeweiht wurde.

Ormos war ein Förderer der ökumenischen Zusammenarbeit seiner katholischen und evangelischen Landsleute. Nicht zuletzt seinem Einsatz ist es zu verdanken, dass – wie zuvor 1989 die evangelische Kirche – 1991 die Renovierung der katholischen Kirche mit finanziellem-, materiellem- und Arbeits-Einsatz aus Deutschland durchgeführt und die Fertigstellung in Anwesenheit des Bischofs aus Raab feierlich begangen werden konnte; allerdings war der Gottesdienst nur in Ungarisch und ohne ein Dankeschön des Bischofs! Das war sicherlich ein Grund, warum Andreas das restliche Spendengeld auf Anraten von Altbürgermeister Papp an den Verein Levéler Freunde für das Sváb-Museum überwiesen hat; es ist das renovierte Bauernhaus des ehemaligen Gemeinderichters Johann Zimmermann, worin die Geschichte und Lebensweise der ehemaligen deutschen Kaltensteiner in einer Sammlung und Ausstellung für die Nachwelt erhalten wird.
Lesen Sie mehr in der Printausgabe.

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