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Personalien

Josef Schwing wurde 90 Jahre alt

Privatdozent Dr. phil. habil. Josef Schwing war am Lehrstuhl Germanistische Linguistik der Mannheimer Universität tätig. Er legte in Jahrzehnte langer mühsamer Arbeit eine Datenbank an, in der die Mundarten der Deutschen in Südungarn in vielfältiger Weise in Text und Ton archiviert sind. Darüber hinaus sammelte er in Südungarn alte Bilder und machte zahlreihe eigene Aufnahmen über die Baudenkmäler. Er war nicht nur auf dem Gebiet der Erforschung der ungarndeutschen Mundarten tätig, sondern arbeitete auch beim Pfälzischen Wörterbuch in Kaiserslautern. Für seine vielfältigen Verdienste um den Erhalt nicht nur des ungarndeutschen, sondern auch des pfälzischen Volksgutes bekam er u. a. vom Johann-Eimann-Kulturrat die Johann-Eimann-Plakette und vom Bundespräsidenten Horst Köhler das Bundesverdienstkreuz am Bande und für seinen selbstlosen Einsatz in landsmannschaftlichen Organisationen erhielt er den Hauptpreis der Donauschwäbischen Kulturpreises und in Ungarn wurde er mit dem Lenau-Preis ausgezeichnet.

Der Lebensweg von Dr. Schwing war immer zielgerichtet. Auch dann, wenn das Schicksal ihn von seinem geraden Weg abbrachte, fand er die Möglichkeit, zu seiner wissenschaftlichen Arbeit zurückzukehren. Dabei halfen ihm Eigenschaften, wie Ausdauer, Fleiß und Gründlichkeit. Das Licht der Welt erblickte Josef Schwing 1932 in Palotabozsok. Als wissbegieriger Jugendlicher schaffte er die Aufnahme an die Eötvös Loránd Universität (ELTE) in Budapest, wo er von 1953 bis 1956 die Fächer Romanistik, Hungaristik und Finnougristik studierte. 1956 war der Wendepunkt im Leben von Dr. Schwing. Infolge der Revolution in Ungarn packte er die Möglichkeit, das Land zu verlassen und in den Westen zu flüchten. Ohne Zeugnisse und Dokumente angekommen, fing er eine kaufmännische Lehre in Ludwigshafen bei der BASF an. Bei dem riesigen Chemiekonzern lernte er seine Frau Hannelore Sauer kennen. Aus der Ehe stammen zwei Töchter und zwei Enkelkinder. Nach mehreren Jahren Arbeit bei verschiedenen Firmen gründete er 1966 eine eigene, in der er Dichtungsringe herstellte. Aber er vergaß die Wissenschaft nicht und deshalb setzte er das unterbrochene Studium ab 1964 in den Fächern Germanistik und Romanistik an der Universität Heidelberg fort. Danach folgte das Studium der Phonetik und Phonologie und der Germanistik an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken, seine Studien schloss er mit der Promotion ab. Seine Dissertation schrieb er über die »Grammatik der deutschen Mundart von Palotabozsok (Ungarn)«. 1980–1990 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, seine Arbeitsstelle war beim Pfälzischen Wörterbuch in Kaiserslautern. Ab 1990 machte er regelmäßig Tonaufnahmen der deutschen Mundarten Südtransdanubiens als Angestellter des Instituts für pfälzische Geschichte und Volkskunde in Kaiserslautern. Als freischaffender Wissenschaftler setzt er seine Tätigkeit fort und besuchte regelmäßig die Dörfer in Ungarn. Während seiner Ungarnreisen mindestens zweimal im Jahr ging Josef Schwing systematisch an die Arbeit und zeichnete die Mundarten auf Tonkassetten auf.

Bei der Erfassung ließ er sich von zwei Prinzipien leiten. Einmal die einheitliche Befragung der Informanden, zum anderen das Gebiet so flachendeckend wie möglich zu bearbeiten. Doch die neue Aufgabe war gar nicht so einfach: Zwischen den Mundarten der Pfalz und den Mundarten der deutschen Siedlungen in der Schwäbischen Türkei gab es einen fundamentalen Unterschied. Während die pfälzische Sprachlandschaft eine in fast 1500 Jahren gewachsene Mundartlandschaft mit vielen gemeinsamen Merkmalen darstellt, handelt es sich bei den deutschen Mundarten in Südungarn um einen bunten Flickenteppich. Hier finden sich fast alle Mundarten Mittel- und Süddeutschlands sowie Österreichs, wobei zweifellos die rheinfränkischen Mundarten den Schwerpunkt bilden. Dies entspricht natürlich den Herkunftsgebieten der im 18. Jahrhundert eingewanderten Menschen. Die Mundarten wechselten dort häufig von Ort zu Ort. Daneben gibt es viele Mischmundarten. Wie sollte nun an diese Mundarten, das Pfälzische, Hessische. Ostfränkische, Moselfränkische, Schwäbische, Alemannische, Bayerische und Niederösterreichische in einem Wörterbuch, das ja nach Artikelwörtern aufgebaut ist, erfasst werden? Josef Schwing fand Dank der modernen Technik die Lösung. Aufgrund seiner Arbeit gehört die Schwäbische Türkei zu den am besten dokumentierten neuzeitlichen deutschen Sprachinseln. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass Josef Schwing eine umfangreiche Sammlung mundartlicher Ortsnamen der deutschen Siedlungen in Ungarn erstellt hat, woraus ein Kartenwerk entwickelt worden ist.

Doch Josef Schwing interessierte sich ja nicht nur für die Sprache, sondern für die Volkskunde: das alltägliche Leben, das weltliche und kirchliche Brauchtum, die Arbeitswelt, die Baudenkmäler in den Dörfern der Schwäbischen Türkei. Zu all diesen Themen hat Josef Schwing Tausende von Fotos gesammelt und selbst aufgenommen, 20.000 sind es mittlerweile, außerdem etwa 1500 außerordentlich wertvolle historische Fotografien, die Rudolf Hartmann in den 1920er Jahren aufgenommen hat und die von Josef Schwing eingescannt wurden. Diese Bilddokumentation ist eine wahre Fundgrube für die ungarndeutsche Volkskunde. Da finden sich Bilder von Häusern, Kirchen, Menschen in ihren Trachten, Fronleichnamsprozessionen, Wegkreuzen, Heiligenfiguren und vielem mehr. Diese Aufnahmen sind alle in einer Datenbank erfasst und sind auch übers Internet zugänglich: http://dialektgeographie.de.

2008 folgte dann die Habilitation im Bereich Dialektologie und deutsche Sprachgeschichte an der Universität Mannheim. Seine Habilitationsschrift trägt die Überschrift: »Die deutschen Ortsnamen Südtransdanubiens unter besonderer Berücksichtigung der deutschen mundartlichen Ortsnamen«. Er übte Lehrtätigkeit als Privatdozent am Lehrstuhl für Germanistische Linguistik der Universität Mannheim aus. 2009 hat er eine Studie über »Die Namen der Stadt Pécs« herausgegeben. Nicht nur als Wissenschaftler, sondern als auch Vereinsmensch ist Dr. Schwing bekannt. Er war Geschäftsführender Vorsitzender der Suevia Pannonica, Vereinigung Ungarndeutscher Akademiker, danach wurde er Schriftführer des »Archivs Suevia Pannonica«. Auch in der Donaudeutschen Landsmannschaft in Rheinland-Pfalz engagierte sich Josef Schwing. Als Pressereferent der Landsmannschaft redigierte er lange Jahre die »Donaudeutsche Nachrichten«. Sein umfangreiches Wissen teilt er gern mit den Landsleuten, im Ortsverband Mutterstadt der Donaudeutschen Landsmannschaft und an den Konventen der Suevia Pannonica hielt er Vorträge über seine Forschungsarbeit. Er ist Jurymitglied beim pfälzischen Mundartwettbewerb »Dannstadter Höhe« und gilt als einer der besten Kenner der pfälzischen neben den ungarndeutschen Mundarten. Sein Lebensmotto ist, wie er in Mainz selbst bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande formulierte: »Uneigennützig der Gemeinschaft dienen, helfen, sein Wissen weitergeben und von anderen lernen, Gutes tun, getreu den geflügelten Worten von Erich Kästner, die für mich programmatische Geltung haben: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.«

Katharina Eicher-Müller
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