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Titelthema

»Wir müssen uns dem entgegenstellen, dass sich das Schicksal von uns heimatvertriebenen Ungarndeutschen niemals mehr wiederholt«

Gedenken an Flucht und Vertreibung im Liszt-Institut in Stuttgart
»Wir müssen uns dem entgegenstellen, dass sich das Schicksal von uns heimatvertriebenen Ungarndeutschen niemals mehr wiederholt«
Foto: kjl
Der 19. Januar ist in Ungarn der Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung. Das Liszt-Institut, das ungarische Kulturinstitut, in Stuttgart, gedachte am 22. Januar mit einer besinnlichen Gedenkveranstaltung der Ereignisse am Ende und nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Redner mahnten an, dass Vertreibung keine Gerechtigkeit bringt.

Seit 2018 erinnert man sich im Ungarischen Kulturinstitut in Stuttgart an die ungarndeutschen Menschen, die Opfer der Verschleppung und Vertreibung wurden, und leistet damit eine wichtige Arbeit zur Aufarbeitung eines dunklen Kapitels der ungarischen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Der Direktor des Instituts, Dr. Dezső B. Szabó, konnte hierzu zahlreiche hochrangige Vertreter der Ungarndeutschen, aus Politik und Gesellschaft begrüßen.

Die Gedenkansprachen hielten der ungarische Generalkonsul Dr. András Izsák, der leitender Ministerialdirigent im Innenministerium von Baden-Württemberg Andreas Schütze sowie (per Videobotschaft zugeschaltet) Miklós Soltész, ungarischer Staatssekretär für Nationalitätenangelegenheiten. Für die heimatverbliebenen und heimatvertriebenen Ungarndeutschen sprachen die Vorsitzende Ibolya Hock-Englender für die LdU in Ungarn und Bundesvorsitzender Joschi Ament für die LDU in Deutschland. Musikalisch umrahmt wurde der Gedenktag durch das Véménder Trio mit den Sängerinnen Flóra Tillmann und Dorina Gász, begleitet von József Emmert am Akkordeon.

Von der Abhaltung des Gedenktags in einem jeweils anderen Ort in Ungarn berichtete die Vorsitzende der Landesselbstverwaltung Ibolya Hock-Englender. Sie erinnerte neben der Vertreibung ab 1946 auch an die Verschleppung in die Sowjetunion ab Weihnachten 1944. »Der zweite Weihnachtstag ist genauso ein symbolischer Gedenktag wie der 19. Januar. Sie stehen für den Leidensweg von Menschen, die für ihre Herkunft büßen mussten. Verschleppung und Vertreibung – es gibt kaum Familien, die von dem einen oder von dem anderen verschont geblieben sind. Oft folgten diese beiden Schicksalsschläge aufeinander. Bei Gedenkfeiern vergessen wir aber oft, wie viele der in Ungarn zurückgebliebenen Deutschen ebenso mit Verfolgung konfrontiert wurden: mit Entrechtung, Enteignung, Zwangsumzug, Internierung und oft mit Zwangsarbeit. In Dörfer, in denen sich die Durchführung der Strafmaßnahmen verzögerten, lebten die Deutschen monateoder jahrelang mit den Neuankömmlingen zusammen, denen ihrer Häuser und Felder zugeteilt wurden. Diese Lage führte zu schweren Konflikten. Viele konnten nicht verkraften, dass ihre Existenz, die mehrere Generationen aufbauten, von Fremden übernommen wurden. Es war auch kein Trost für sie, dass der Großteil dieser Siedler ebenfalls aus den Nachbarstaaten vertrieben worden war.«

Seine Gedenkansprache begann Joschi Ament mit einem Brief seiner Großmutter, den diese 1946 aus einem Arbeitslager in der Sowjetunion schrieb. Dorthin war sie als Ungarndeutsche aus Elek verschleppt worden: »Mein lieber Ehemann! Aus Anlass unseres Hochzeitstages schreibe ich einige Zeilen aus dem entfernten fernen Land. So sehr traurig ist hier das Leben und so grausam das Schicksal, das unsere Familie auseinander gerissen hat. Wie schön wäre es, heute in unserer Familie zusammen zu sein, anstatt in den Krallen des Feindes in einem anderen Land zu verwelken. Ich bitte den lieben Gott, dass wenigstens Du nicht leidest, sondern zu Hause bist bei unseren lieben Kindern und auf sie achten kannst. Es wäre so schön nach dem langen Schweigen einen lieben Brief von Dir und über unsere Kinder zu bekommen. Liebster Mann, des Lebens Schicksal ist sehr erbarmungslos und auf uns hat es nur Traurigkeit gebracht. Ich trauere sehr oft. Warum nur gingst auch Du noch von Zuhause fort? So wären wir wenigstens zusammen. Die Hoffnung hält mich aufrecht, und nur das steht vor mir, Heim zu gehen zu Dir, zu den lieben Kindern, raus zur Tanya und in Frieden mit Euch zusammen sein. Ich sehne mich so sehr nach Euch. Oft bin ich beinahe verrückt nach meiner Familie und Heimat, nach Euch, nur noch einmal zu Euch zu kommen. »Éz gét állesz förüber, ész gét állesz forbáj, für unc khomt auh noh ain Mai!« (Und ich hoffe, dieser Mai lässt nicht lange auf sich warten!) Mit allergrößter Sehnsucht und meinen Gedanken bin ich immer bei Euch – meine geliebten Kinder. Ich umarme und küsse Dich. Bleibe Dein treues Weib – egal aus welcher Ferne auch von dir. Deine Dich liebende Frau.« So lautete der Brief im Wortlaut. Joschi Ament erläuterte die näheren Umstände: »Es ist nicht leicht für mich, beim Lesen dieser Zeilen, komplett die Emotionen zu unterdrücken, handelt es sich doch um Auszüge aus dem persönlichsten Brief, den ich im Nachlass meiner Großeltern gefunden habe. Der Brief datiert vom 4. September 1946. Der Absenderort ist Krivoirog in Russland. Geschrieben hat ihn meine Großmutter. Adressiert war der Brief nach Elek, der Heimat meiner Familie. Empfänger war mein Großvater. Wie, wann und wo er tatsächlich angekommen ist, ist nicht überliefert. Jedenfalls hat mein Großvater diesen Brief nie in Elek erhalten. Als dieser Brief in jenen traurigen Tagen des Herbstes 1946 geschrieben wurde, war das einst traute Idyll meiner Familie längst zerrissen. An diesem 4. September 1946 kämpfte meine Großmutter im Zwangsarbeitslager in Russland ums Überleben, mein Großvater war von den Amerikanern gefasst und seit Mai 1945 irgendwo in amerikanischer Kriegsgefangenschaft und mein Vater mit gerade einmal fünf Jahren? Mein Vater war zusammen mit seinen damals 70-jährigen Großeltern im Viehwaggon bereits nach Deutschland vertrieben worden und an diesem 4. September 1946 – ohne Eltern – weit weg der Heimat in Wiesloch, im heutigen Rhein-Neckar-Kreis. So sieht »mein« persönliches Vertreibungsschicksal aus.«
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