archivierte Ausgabe 9/2018 |
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Titelthema |
»Gut, dass wir diesen Gedenktag haben« |
Gedenkstunde für die Opfer von Flucht und Vertreibung in Berlin |
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Zoltán Schmidt, Horst Seehofer und Georg Hodolitsch
Foto: Marc-P. Halatsch/BdV |
Beim vierten bundesweiten Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung am 20. Juni 2018 brachte eine Medien-Ente etwas Unruhe in den sich langsam füllenden Schlüterhof des Deutschen Historischen Museums in Berlin: Horst Seehofer – Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat und als solcher Gastgeber der Gedenkstunde – habe seine Teilnahme vor dem Hintergrund aktueller politischer Entwicklungen abgesagt, hörte man. Doch Seehofer kam und mit ihm auch Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel MdB, deren Ansprache in diesem Jahr im Zentrum der Gedenkstunde stehen sollte.
Mit der Teilnahme der Bundeskanzlerin zeigte sich ein weiteres Mal, welch hohen Stellenwert die wichtigen Staatsämter diesem Gedenktag beimessen. Mit dem damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck im Jahr 2015, dem damaligen Bundestagspräsidenten Dr. Norbert Lammert im Jahr 2016 und der diesjährigen Rede Angela Merkels haben die drei protokollarisch am höchsten stehenden Repräsentanten Deutschlands in den ersten vier Gedenkveranstaltungen für die Opfer von Flucht und Vertreibung gesprochen. Teilnahme und Rede des rumänischen Präsidenten Klaus Johannis im Jahr 2017 unterstreichen diesen Eindruck, zumal mit ihm erstmals das Staatsoberhaupt eines Landes, aus dem nach dem Zweiten Weltkrieg Deutsche allein aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit vertrieben oder deportiert worden waren, zu einem solchen Anlass sprach.
»Gedenktage sind Denkmäler in der Zeit«, begann der Bundesinnenminister seine Begrüßung mit einem Zitat von Aleida Assmann, einer der international anerkanntesten Expertinnen auf dem Gebiet des kulturellen Gedächtnisses. Aus diesem kurzen Zitat leitete Seehofer ab, dass die Bedeutung eines jeden einzelnen Gedenktages auch davon abhänge, wie dieses »Denkmal in der Zeit« errichtet werde. Dazu zähle jedes Detail in der Vorbereitung und Durchführung: von der Auswahl und Lieferung der Blumen über das Einüben der Musikstücke bis hin zu »den Gästen – vorneweg natürlich der verehrten Frau Bundeskanzlerin«.
Der Minister erinnerte daran, dass auf den Tag genau vor 70 Jahren – am 20. Juni 1948 – die Währungsreform in der Trizone in Kraft trat und die Deutsche Mark eingeführt wurde. Dies habe die deutschen Heimatvertriebenen in Westdeutschland erneut auf ihre Mittellosigkeit zurückgeworfen und doch gleichermaßen den Anfang ihres Aufstieges markiert. Den pommerschen Adligen und Politikwissenschaftler Christian Graf Krockow zitierend, sagte Seehofer: »Die Vertriebenen erwiesen sich in der Folge wie kaum eine andere Gruppe als leistungsbereit und leistungsstark. Sie suchten ihre Chancen dort, wo sie sich boten – waren bereit, mit harter Arbeit ihrem vermeintlich vorbestimmten Leben in Armut entkommen. Es schien, als habe der Schock der Vertreibung ungeahnte Kräfte freigesetzt, die – zumindest in der Generationenfolge – den sozialen und gesellschaftlichen Aufstieg bewirkten.« So seien die Vertriebenen zu einem wichtigen Faktor des westdeutschen Wirtschaftswunders geworden.
Vergleiche zwischen damals und heute ließen sich schwer anstellen, so der Innenminister. Dennoch könnten aus den unterschiedlichen Vertreibungs- und Flüchtlingsschicksalen ähnliche Lehren gezogen werden: dass Frieden kostbar sei, dass Humanität am Anfang des Denkens stehen müsse und dass man Orte der Vertrautheit nicht erst als Heimat erkennen und bewahren solle, wenn sie verloren seien. »Gut, dass wir diesen Gedenktag haben«, beendete Seehofer seine Begrüßung.
»Es braucht noch viele solcher Gedenktage« Diesen Gedanken griff der emeritierte Limburger Weihbischof und ehemalige Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für die Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorge, Dr. h.c. Gerhard Pieschl, auf und mahnte, es sei wichtig, an Vergangenes zu erinnern, das bis in die Gegenwart wirkt und die Zukunft prägt.
An seiner eigenen Biographie verdeutlichte er im Folgenden einige dieser einschneidenden und oft sehr gegensätzlichen Impulse eines Vertriebenenschicksals. So beschrieb er die Ablehnung, die er »als tschechoslowakischer Staatsbürger deutscher Volkszugehörigkeit«, geboren 1934 in Mährisch Trübau, schon als Kind von der dortigen Staatsmacht erfahren hatte genauso wie die Ablehnung bei der Ankunft in Westdeutschland nach der Vertreibung. Ebenso wie Bundesinnenminister Seehofer lobte Pieschl die schnelle wirtschaftliche und politische Integration der Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg. Gleichzeitig sprach er aber von einer schwierigen gesellschaftlichen Eingliederung, auch weil der Rückkehrwunsch in den Familien noch lange genährt wurde. Der starke familiäre Zusammenhalt und die Heimat im Glauben, zumal die Kirchen – Pfarrer und Bischöfe – gleich mitvertrieben worden waren, hätten die Vertriebenen jedoch stabilisiert und die »Atombombe mit Zeitzünder« entschärft, die die Kommunisten nur zu gern detonieren gesehen hätten.
Mit dem Blick auf die Gesellschaft sei auch heute noch klar: »Die Vertreibung ist kein Privatproblem. Es braucht noch viele solcher Gedenktage.«
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