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Zum Feierabend

Konfirmation durch Pfarrer Wilhelm Straner

Eine Geschichte aus Sektschi (Kaposszekcsö) über einen evangelischen Pfarrer
Wilhelm Straner war langjähriger Pfarrer der evangelischen Gemeinde Sektschi (Kaposszekcsö). Die Kinder und Jugendlichen des Dorfes ärgerten oder neckten den Pfarrer zu gern und riefen ihm auch hinterher: »Straner Vilmos paaap« und die größeren Jungs auch heimlich ungeziemliche Sprüche. Und merkten erst in ihren späteren Jahren, was für ein fürsorglicher und liebevoller Mensch und Geistlicher ihr Pfarrer war und schämten sich für ihr dummes Verhalten. Seine kleinen Schrullen und Schwächen machten den physisch kleinen Mann, der zur Dorfelite zählte, sympathisch und liebenswert.

Wilhelm Straner war 1866 in Ödenburg (Sopron) geboren, studierte Theologie in Ödenburg, war lange Priestersekretär im Burgenland und kam als 40-jähriger Mann, verheiratet mit Elisabetha Kiss, als Nachfolger des ersten Pfarrers der Gemeinde, Julius (Gyula) Reichert, der von 1812–1816 das Amt begleitete, nach Sektschi. Seine zwei Töchter, Elisabetha Marta, 1918 und Emma Margit, 1921, wurden schon in Sektschi geboren. Beide Töchter haben auch in Sektschi, die ältere 1942, die jüngere 1944 geheiratet. Straner blieb in Kaposszekcsö bis 1947, ging nach Ödenburg (Sopron) zurück, wo er 1952, in seinem 86. Lebensjahr, verstarb.

Sein Religionsunterricht war mit allerlei Bibelsprüchen und deren Auswendiglernen gefüllt. In den Kriegsjahren, als beide Lehrer, Szécsei und Kovács, eingezogen, nicht da oder krank waren, war er auch Lehrervertreter. Er kam immer im schwarzen Anzug, weißem Hemd mit Stehkragen und einem schwarzem Zylinderhut. Sein Hut diente auch zum Nachhelfen mit einem Klopfen auf den Kopf, wenn einer nicht schnell genug antwortete oder gar die Antwort nicht hatte. Das Kopfhutklopfen galt aber mehr den Jungens, die Mädchen behandelte er behutsamer, hatte er doch auch zwei hübsche Töchter.

Den Rohrstock schwang er nicht, der war mehr das »Lehrmittel« von Kovács Józsi und ab und an auch von Szécsei János. Wenn Pfarrer Straner durch das Dorf lief, allein, mit einem der Lehrer oder Kirchenvorstand, ging er immer mit Hut, den er allerdings zu warmen Jahreszeiten in der Hand trug und damit freundlich in die Höfe grüßte.

Bei Schulausflügen war Pfarrer Straner immer mit von der Partie und hat unterwegs erklärt, auf Besonderheiten hingewiesen, manchen an die Hand genommen, doziert und nicht nur physisch geführt. Mir hat er auf einem dieser letzten Ausflüge angeraten, doch aufs Gymnasium zu gehen und Lehrer, oder gar Pfarrer zu werden, wie er. Die meisten Ausflüge, im Frühling oder Herbst, gingen durch die Sarád, den unteren Jarosch hinauf zum Brunnen im oberen Teil, auf Tiszbergers Wiesen. Da konnten sich die Schüler unter den Obstbäumen (heute sind das Streuobstwiesen) tummeln und austoben, derweil die Lehrer und der Pfarrer in den Preßhäusern einkehrten oder unter deren Kellervorbauten den Heurigen oder auch Gestrigen probierten. Da unser Jarosch an den Weingarten Tiszbergers und die Wiesen darunter grenzte, ließ auch Großvater, der ehemalige Kleinrichter, seinen Schiller aus dem Ziehkürbisheber spritzen und unterhielt sich und scherzte gern mit den Lehrern und dem Pfarrer. Mit dem jahrgangsälteren Pfarrer pflegte er geradezu einen freundschaftlichen Ton und scherzte mit ihm lieber als mit den »Lehrergrünschnäbeln«.

Manches Mal torkelte der Ausflug aus dem Jarosch heim, doch meist zog er weiter über den Pusztahegy (Ödberg), von Richter-Gesellmanns in den Jergesch. Oft begann der Ausflug auch in einem von diesen, nur der Pusztahegy hatte weniger schöne Preßhäuser in Reihe mit Wiesen davor und die Hänge waren steiler. Auf den Wiesen im Jergesch tummelten sich die Schüler ähnlich wie im Jarosch auf den, den Preßhäusern vorgelagerten, Streuobstwiesen, von Lötz und Juste vorn bis hinter zu den Lemles, Schultheiße, Scherers, Gesellmanns und Krauts . Und Pfarrer und Lehrer spielten das gleiche Spiel und schauten, oder wussten schon, welcher Keller geöffnet hat, oder wo der Wein besser oder gastfreundlicher floss. Und so endete jeder Schulausflug aller Klassen (eins bis sechs!) mit strahlend frohen Gesichtern der Schüler im plappernd lauten Heimgang, mancher gar mit Gesang. Derweil Lehrer und Pfarrer durstgestillt und zufrieden wankten, Pfarrer Straner nicht selten die Kinder mit seinem Hut klopfend neckte oder von den großen Mädels eingehenkelt heimgeführt worden ist, was er sich gern gefallen ließ, im Rückgefühl an schöne Stunden mit seinen zwei Töchtern. Die grienenden, neidischen und teils fatalistischen Blicke der größeren Jungs, die wohl auch schon gern so von zwei Mädels eingezwängt heimgeleitet worden wären.

Sein sonntäglicher Gottesdienst war ein konstantes Ritual. Er fand vormittags 10 Uhr und nachmittags 14 Uhr statt. Am Vormittagsgottesdienst nahmen die jüngere und mittlere Generation teil, am Nachmittagsgottesdienst vor allem die älteren Frauen, die am Vormittag am heimischen Herd das sonntägliche Mittagsmahl für die Familie bereiten durften. Für die Schüler war die Teilname an beiden Gottesdiensten eine Pflicht. In der Kirche gab eine feste Sitzordnung. Auf der linken Empore saßen die männlichen Schüler sowie die männlichen Jugendlichen bis zur Eheschließung, altersgegliedert von oben nach unten. Nach der Eheschließung nahmen die Männer etwa bis zum 50. Lebensjahr auf der rechten Empore Platz. Mädchen und Frauen war die linke Seite des Kirchenschiffes vorbehalten, altersmäßig gegliedert von vorn nach hinten. Die älteren Männer saßen im Kirchenschiff rechts. Die ersten Bankreihen im Nachmittagsgottesdienst waren den Schülern vorbehalten, wieder rechts Jungs, links Mädchen, von vorn nach hinten, von der ersten Klasse zu den höheren steigend. [...]
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