archivierte Ausgabe 7-8/2021 |
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Kryptische Texte und leuchtende Farbenspiele |
Ausstellung »András Végh – ich bin der Künstler« im Ungarischen Kulturinstitut in Stuttgart |
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Ausstellung im Ungarischen Kulturinstitut in Stuttgart
Foto: Klaus J. Loderer |
Es sind die leuchtenden Farben, die bei den neueren Bildern des ungarischen Künstlers András Végh besonders ins Auge stechen. Die Bildmotive sind im ersten Moment verwirrend und treten erst einmal hinter den Farben zurück. Rot- und Gelbtöne dominieren viele Bilder. Eher dezent ist das Gemälde, das in der Ausstellung im Ungarischen Kulturinstitut in Stuttgart das Eingangsmotiv bildet. Es ist eine schöne Idee, dass dort immer ein Bild gegenüber dem Eingang gewissermaßen die Visitenkarte bildet. Der Blickfänger bei dieser Ausstellung ist ein Bild, bei dem man zuerst zwei dicke horizontale rote Streifen wahrnimmt, leuchtend rot der untere, mit weiß abgemildert oder obere Streifen. Eine ins Graue gehende blaue Fläche bildet den Bildgrund, auf dem mit weißer Farbe kryptische Zeichen verteilt sind. Man wähnt Figuren zu sehen. Und man erkennt Buchstaben. Ergeben diese Wörter? Manche Buchstaben sind seitenverkehrt. »Világ az ablakomban« (Welt in meinem Fenster) ist der Titel dieser Arbeit aus dem Jahr 2016.
Die Texte oder Scheintexte sind ein typisches Motiv von András Végh. Es gibt Bilder, die reine Textseiten bilden, zum Beispiel das Bildpaar »Képes Krónika«. Bei der Nummer II aus dem Jahr 2012 sehen eine Seitengliederung des schwarz unterlegten Blattes mit horizontalen Streifen. Sind das Überschriften? Doch halten sich die weiß gemalten Schriftzeichen nicht wirklich an diese Gliederung. Überhaupt handelt es sich nicht um Buchstaben sondern um Fantasiezeichen. Wer entschlüsselt uns diese Geheimschrift. Sind die Schriftzeichen bei diesem Bild fein säuberlich in Reihen angeordnet, sind sie beim ein Jahr zuvor entstandenen »Képes Krónika I« wild über das Bild verteilt. Die zusätzliche Dynamik wird noch verstärkt durch den roten Blattgrund und die hier goldenen Schriftzeichen. Was auf den ersten Blick wie ein Textblatt wirkt, entpuppt sich als kryptischer Scheintext. Uns gelingt es nicht, die Botschaft zu lesen. Allerdings streut Végh durchaus auch lateinische Buchstaben in seine Bilder. Und gelegentlich entdeckt man lesbare Begriffe. Wenn er Wörter einbaut, sind es französische Begriffe.
Ende der 1960er-Jahre war András Végh ein Vorreiter der abstrakten Kunst in Ungarn. Auf den ersten Blick sind seine Bilder größtenteils immer noch abstrakt – aber nur auf den ersten Blick. Bei genauerer Betrachtung erkennt man mehr oder weniger stark stilisierte Figuren oder Objekte. Diese können wie bei »Égi Jelek« (Zeichen vom Himmel, 2019) so stark stilisierte Objekte sein, dass man sich wieder an die kryptischen Texte erinnert fühlt. Manchmal reduziert er menschliche Figuren so stark, dass sie zu Chiffren, zu Hieroglyhoen, werden.
Gelegentlich ergänzt er die locker dahingeworfenen Farbflächen durch weitere Striche zu Figuren. Und plötzlich scheinen Figuren und Gesichter auf. Doch wirken diese so, als habe er das abstrakte Bild durch diese Ergänzungen korrigieren wollen. Végh war übrigens nie konsequent abstrakt. Immer wieder tauchten bei ihm figürliche Darstellungen auf. So experimentierte er mit stark verfremdenden Darstellungsmöglichkeiten des Menschen. Er ließ sich durch entsprechende moderne Maler inspirieren. In den 1990er-Jahren gab es einen deutlichen Einfluss durch die Bilder Francis Bacons. Zeitweilig experimentierte Végh mit Collagen. Er selbst deutete die Vorbildwirkung bestimmter Maler einmal an: »Henri Matisse war meine Sonntagsbibel, Willem de Kooning diente als Bibel für alle Tage und Jean Dubuffet war meine Gutenachtgeschichte«.
Die breiten blockhaften Farbstreifen des Eingangsbilds tauchen immer wieder auf. Bei »Hidak« (Brücken, 2019) ist ein senkrechter blauer Streifen und ein senkrechter roter Streifen. Für den Raum interessiert sich Végh allerdings nicht. Räumliche Strukturen sind in seinen Bildern nicht erkennbar und werden noch nicht einmal angedeutet. Die Farbwirkung ist ihm wichtiger.
Besondere Beachtung schenkt András Végh der äußeren Begrenzung seiner Bilder. Er nimmt selten den Rand des Bildes als Begrenzung. Es wirkt, als lege er das Bild auf die weiße Leinwand. Oft rahmt er das eigentliche Bildmotiv durch eine markante Linie. Manchmal setzt er große Farbflächen auf die Leinwand. Diese begrenzt er entweder ganz exakt oder lässt sie ganz bewusst so ausfransen, dass der Effekt entsteht, als wäre die Farbe verlaufen. Im Bildzyklus »Maszk« (Maske) ist die Gemeinsamkeit das ungefähr ovale Grundmotiv, das er dann ganz unterschiedlich ausfüllt.
Immer wieder versucht András Végh den Blick in das Innenleben. Das kann der Blick mit Röntgenfähigkeiten in einen Koffer sein. Oder es ist der Blick in ein Haus. Man erkennt Treppenstufen, einen Garten. Es scheint der Grundriss eines Hauses. Doch geht es Végh gar nicht um die räumliche Struktur. Er versucht uns ein anderes Detail zu vermitteln und neben den Augen eine andere Wahrnehmung zu sensibilisieren. Der Bildtitel bringt uns auf die Spur: »Egy tér illata« (Der Duft eines Raums, 2020).
András Végh wurde 1940 in Tolnau geboren. Der Besuch des Kunstgymnasiums von Budapest 1955 bis 1959 prägte seinen Lebensweg und führte weiter Richtung Kunst. Von 1960 bis 1967 studierte er an der Kunstakademie in Budapest. Aurél Bernáth und János Kmetty gehörten zu seinen Lehrern. Erstmals zeigte er 1965 Bilder bei einer Übersichtsausstellung zur Kunst im Komitat Tolnau in Szekszárd. Ab 1968 war er mehrmals bei Sommerlagern in Egervár, einer von László Dús organisierten Künstlerkolonie im Westen Ungarns. Es war die Zeit, als Véghs Bilder immer abstrakter wurden. Véghs erste Einzelausstellung war 1969 im Ádám-Balogh-Museum in Szekszárd zu sehen. Végh erhielt zahlreiche Preise, etwa 1970 ein Derkovits-Stipendium. Ab 1971 besuchte er regelmäßig Frankreich. In Paris lernte er die neuesten Kunstströmungen kennen. [...]
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