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Kultur

Mystische Buchstabensuppe in der literarischen Zauberküche

Ausstellung »Schriftsteller bitten zu Tisch – Autoren aufgetischt« im Ungarischen Kulturinstitut Stuttgart
Mystische Buchstabensuppe in der literarischen Zauberküche
Ausstellung Schriftsteller bitten zu Tisch
Foto:Klaus J. Loderer
Es ist ein Metallherd, wie man ihn früher oft in Ungarn gefunden hat. Mit Holz und Kohlen konnte man ihn befeuern. Sparherd war als Begriff dafür gebräuchlich. Ein Fliesenmuster zeigt die Wand dahinter. Vier historische Küchenobjekte hängen daran. Nur aufgedruckt ist ein riesiger verzierter Silberlöffel. Ein Topf steht auf dem Herd. Ein emaillierter Metalltopf, außen dunkelrot, innen grau. Auch dieser war früher in Ungarn sehr gebräuchlich. Ein hölzerner Kochlöffel liegt darauf. Man darf ihn nehmen und im Topf rühren. Buchstaben jagen wild in der Suppe herum, langsam, wenn man vorsichtig rührt, schnell, wenn man stürmisch rührt. Man hält mit dem Rühren inne und plötzlich formieren sich die Buchstaben zu einem Spruch. Natürlich ist dieses Zauberwerk dem raffinierten Boden des Topfes zu verdanken. Dieser ist interaktiv.

Diese historische ungarische Zauberküche war Teil einer Ausstellung über ungarische Schriftsteller und Essen, die das Petöfi-Literaturmuseum in Budapest erarbeitet hat und die im Herbst im Ungarischen Kulturinstitut in Stuttgart zu sehen war. Kuratorin Judit Szilágyi hat aber nicht nur auf Essen und Trinken bezogene Zitate aus der ungarischen Literatur zusammengestellt, sie hat auch entsprechende Objekte herausgesucht. Und man staunt dann doch, wie viele Dinge von Tisch und Küche ungarischer Schriftsteller erhalten sind. Sechs Keramikteller stimmen gleich eingangs auf das Thema ein. Eine Tischvitrine versammelt Dinge wie eine Suppenschüssel von Ferenc Molnár, einen Mehllöffel von Gyula Krúdy und ein Taschenmesser von Gyula Illyés.

Nicht wiederzuerkennen sind die Ausstellungsräume des Kulturinstituts. Mit einer weinroten Ausstellungsarchitektur haben Gyula Kemény und András Széki Kabinette und Nischen gebildet, die einen völlig neuen Raumfluss ergeben. Großformatige historische Fotomotive illustrieren die Räume. Da sieht man Mór Jókaí um 1900 unter einem Pfirsichbaum, wie er die Arbeiten im Weinberg beaufsichtigt. Auf einem anderen Foto sieht man Sándor Márai mit seinen Eltern an einer dekorierten Ostertafel in einem Wintergarten sitzen. Tafel- und Kaffeerunden findet man. Aber auch ein dunkles Kabinett der Entbehrung ist eingefügt mit Hunger während des Kriegs.

Immer wieder findet man weiße Teller an den Wänden. Zitate ungarischer Schriftsteller sind aufgedruckt. Natürlich dreht es sich immer um das Essen. Noch einmal kann man zaubern. Ein gedeckter Tisch mit sechs Tellern steht an einer Wand. Die Teller sind leer. Doch rührt man die Hand in ihre Richtung, füllen sie sich wie von Zauberhand. Natürlich ist das Essen nicht echt, nur eine Projektion. Langsam verblasst das Essen wieder.

Die unzähligen Beschreibungen zur Gastronomie in der ungarischen Literatur sind legendär. Das mag auch damit zu sammen hängen, dass gerade Jungschriftsteller in Budapest früher den größten Teil ihrer Zeit im Kaffeehaus verbrachten – schon aus dem banalen Grund, dass dort im Winter geheizt war. Um einen Autor kommt man aber gar nicht herum. Und das ist Kálmán Miksáth, Autor der amüsant-tragischen Geschichte »Sankt Peters Regenschirm«. Umfangreiche Beschreibungen der Gastronomie gipfeln bei ihm in einer geradezu hymnischen Verehrung der klassischen ungarischen Küche. Die Ausstellung würdigt ihn als Ahnherrn des Gastro-Kults.

Für das Ungarische Kulturinstitut war »Schriftsteller bitten zu Tisch« übrigens die Abschiedsausstellung im Stammhaus in der Haußmannstraße. Im neuen Jahr wird das Institut neue Räume in Stuttgart beziehen. Ein Paukenschlag zum Abschied!
Klaus J. Loderer
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