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»Wir haben die moralische Pflicht, uns an das Unrecht, das unseren Ahnen widerfahren war, zu erinnern«

Gedenkfeier zum Gedenktag der Vertreibung im Ungarischen Kulturinstitut in Stuttgart
»Wir haben die moralische Pflicht, uns an das Unrecht, das unseren Ahnen widerfahren war, zu erinnern«
Emmerich Ritter, umrahmt von ungarndeutschen Trachtenpaaren
Das Ungarische Kulturinstitut Stuttgart hat 2018 mit einer Veranstaltungsreihe zum Gedenktag der Verschleppung und Vertreibung der Ungarndeutschen eine neue Tradition geschaffen. Bereits zum zweiten Mal fand am 24. Januar die würdige Gedenkfeier statt.

Das Programm leitete die Grußworte des ungarischen Generalkonsuls in Stuttgart Dr. János Berényi ein.

Anschließend kam Joschi Ament, der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn zu Wort:

»Zunächst möchte ich Ihnen meinen herzlichen Dank aussprechen, dass wir nach einer gelungenen Premiere im vergangenen Januar auch in diesem Jahr hier in Stuttgart in ihrem wunderschönen Kulturinstitut von Ungarn erneut einem historischen – für uns alle Ungarndeutschen – ja – einem schicksalshaften Ereignis gedenken können. Wenn ich heute – knapp eine Woche nach dem 19.1. – die Impressionen der letzten Tage und Wochen auf mich wirken lasse, bin ich immer noch tief beeindruckt vom offiziellen Gedenkakt der ungarischen Regierung, der am vergangenen Wochenende – am 19.1.2019 – in Elek in Ungarn, stattfand. Als Bundesvorsitzender der heimatvertriebenen Ungarndeutschen, oder eigentlich schon deren Kinder- oder gar Enkel-Generation, zu denen ich ja selbst auch gehöre, habe ich damit Ungarn in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal innerhalb einer Woche bereist. Nach der großen Festgala am Tag der Ungarndeutschen Selbstverwaltungen in Budapest am 12. Januar folgte am 19. Januar für mich persönlich eine emotionale Achterbahnfahrt meiner Gefühle, die mir unvergessen bleiben wird. Elek, eine Kleinstadt im Südosten von Ungarn – heute unmittelbar an der ungarischrumänischen Grenze gelegen.

Was hat Elek mit den Ungarndeutschen zu tun? Nun, Elek war bis 1946 eine intakte von mehreren Nationalitäten bewohnte Großgemeinde, in der sich über 60 % der Bevölkerung zur deutschen Muttersprache bekannte. Nach den Angaben des Ungarischen Zentralamtes für Statistik aus dem Jahre 2004 ist Elek mit etwa 5.000 Heimatvertriebenen damit nach Budaörs die ungarndeutsche Gemeinde mit dem zweitgrößten Bevölkerungsverlust, der durch die Vertreibung verursacht wurde. Durch die Russland-Deportation waren aus Elek alleine knapp 1.000 Personen betroffen. Seit 2001 steht in Elek eine ausdrucksstarke Gedenkstätte mit Landesbedeutung mitten im Stadtzentrum, die an die Vertreibung aller Ungarndeutschen von 1946 bis 1948 erinnern soll. An diesem Denkmal haben schon viele hochrangige Persönlichkeiten Blumen niedergelegt. Beispielhaft möchte ich nennen: Ungarns damalige Parlamentspräsidentin Katalin Szili, der einstige österreichisch-ungarische Thronfolger Otto von Habsburg oder zuletzt im Sommer 2018 Baden-Württembergs Minister der Justiz und für Europaangelegenheiten Guido Wolf. Diesmal war es der stellvertretende ungarische Ministerpräsident Zsolt Semjén, der am Denkmal sprach und für die ungarische Regierung einen Kranz niederlegte. Das Denkmal steht übrigens an der Stelle, an der 1945 in Elek das Rathaus war, an dem 1945 die Namen der zur Malenki Robot bestimmten Männer und Frauen ausgetrommelt wurden und 1946 die Namen der zur Vertreibung vorgesehenen ausgehängt wurden. Dort müssen dann wohl auch 1945 – zur Verschleppung – die Namen meiner Großmutter und die Namen der Großmütter meiner Frau gestanden haben und 1946 – zur Vertreibung – die Namen meiner Urgroßeltern und meines damals fünfjährigen Vaters gestanden haben – und jetzt können Sie vielleicht nachvollziehen, woher meine Emotionalität kommt.

Für mich haben solche Gedenkzeremonien – wie in Elek – immer eine ganz persönliche Bedeutung, weil von der Verschleppung und der Vertreibung auch meine Familie betroffen war, weil durch die Verschleppung und durch die Vertreibung auch meine Familie auseinander gerissen wurde, und weil als Folge der Verschleppung und Vertreibung meine Familie nie wieder ganz zusammenfand. Ausgerechnet an diesem Platz in Elek sollte ich mich meiner Tränen schämen! Nein, ganz gewiss nicht! Jede Träne war es wert, denn ich vergoss sie … für ungefähr 60.000 Ungarndeutsche, die Opfer der Verschleppung wurden, für mehr als 200.000 Ungarndeutsche die Opfer der Vertreibung wurden, für meinen Vater, meine Großeltern und Urgroßeltern und auch für die Opfer, die zwar von der Vertreibung verschont geblieben sind, aber bei Ächtung ihrer Muttersprache in Schule, Öffentlichkeit und Kirche während der 1950er Jahre zu jener stummen Generation heranwuchs die weder ihre Muttersprache beherrschte noch das Bewusstsein des Ungarndeutschtums hatten.

Ich freue mich, dass diese stummen Stimmen in Ungarn seit einigen Jahren wieder an Selbstwertgefühl gewonnen haben und heute wieder vielerorts erklingen. Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle bei den politischen Vertretern aus Baden-Württemberg und Ungarn recht herzlich bedanken für die vielfältige, oftmals auch finanzielle Unterstützung, die Sie leisten – für den Erhalt und die Pflege unserer Muttersprache in Ungarn. Bekanntlich ist der Dank die stärkste Form der Bitte, insofern darf ich darum bitten, unsere Projekte auch künftig zu unterstützen. Und auch daran zu denken, dass der Erhalt und die Pflege des Kulturgutes der Ungarndeutschen in Deutschland mit dem fortschreitenden Generationenwechsel ebenfalls vor großen Herausforderungen steht. [...]
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