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Berichte aus Ungarn
Bajnai macht weiter
Ministerpräsident Gordon Bajnai versprach Mitte Mai, dass er sein Reformprogramm gegen den öffentlichen Widerstand und die ständigen Angriffe der
Opposition fortsetzen werde. Sein neues Kabinett sei »eine Krisenmanagement-Regierung und keine Wohlfühlregierung« unterstrich er. Bajnai geht unbeirrt davon aus, dass er sein einjähriges Mandat bis zu den kommenden Parlamentswahlen zu Ende führen wird. Damit trotzt Bajnai auch ersten Protesten aus den Reihen der sozialistischen Parlamentarier und Bürgermeister, die um ihre Ämter und Mandate fürchten. Bajnai betonte, dass jeder zehnte ungarische Arbeitsplatz von den Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland abhänge.
WH

Urteile
Mordfall von Olaszliszka

Am 21. Mai verurteilte das Komitatsgericht Borsod-Abauj-Zemplén einen Mann zu lebenslänglicher Haft für seine Teilnahme am Mord an Lajos Szögi in Olaszliszka am 15. Oktober 2006. Damals war der 44-jährige Lehrer Szögi von einem Mob aufgebrachter Dorfbewohner aus seinem Wagen gerissen und vor den Augen seiner beiden Kinder zu Tode geprügelt worden. Auslöser für die Tat war, dass der PKW-Fahrer ein 12-jähriges Mädchen aus dem Dorf angefahren haben soll. Das Mädchen war in den Graben gefallen, hatte aber keine nennenswerten Verletzungen davon getragen. Während einer forensischen Untersuchung des Fahrzeuges konnten keine Beweise für den Aufprall festgestellt werden. Der Richter bezeichnete den Vater des Mädchens, den Hauptangeklagten, auch in Anbetracht seiner Vorstrafen als Bedrohung der Gesellschaft, und verhängte das höchstmögliche Strafmaß. Dementsprechend wird der Mann frühestens nach 30 Jahren aus dem Gefängnis entlassen. Sieben weitere Angeklagte wurden wegen Teilnahme oder Beihilfe zum Mord ebenfalls verurteilt, fünf, darunter die Mutter und der ältere Bruder des Mädchens, zu 15 Jahren Haft, zwei weitere, die noch minderjährig sind, zu zehn Jahren Jugendstrafe. Das Opfer wurde 10 bis 15 Minuten lang mit gezielten Schlägen langwierig und außenordentlich brutal zu Tode geprügelt. »Diese Tat entbehrt jeder Menschlichkeit«, sagte der Vorsitzende Richter Attila Czibrik. Die Tat hatte Wellen der Empörung im ganzen Land hervorgerufen, und hatte, da die Täter Roma sind, zu einer dramatischen Zuspitzung der ethnischen Spannungen zwischen der Mehrheitsbevölkerung und der Minderheit der Roma geführt. Die Tat war Wasser auf den Mühlen der Rechten. Die extremistische Gruppierung Ungarische Garde organisierte auf ihrem selbsternannten Feldzug gegen die »Zigeunerkriminalität« sogar eine Anti-Roma-Demonstration in Olaszliszka.
WH

Pläne des neuen Außenministers
Der neue ungarische Außenminister Péter Balázs ist international gut bekannt. Der 1941 geborene Ökonom Péter Balázs begann seine Karriere im staatlichern Außenhandel. 1993 wechselte er als Botschafter in Stockholm in die Diplomatie. Von 1997 bis 2000 war er in Bonn und Berlin tätig, ab 2003 als EU-Botschafter. Er arbeitete als interimistischer EU-Kommissar Ungarns. Er hätte zum ständigen aufsteigen können, wenn der aus dem Amt scheidende frühere MSZP-Vorsitzende und Außenminister László Kovács diese Position nicht für sich beansprucht hätte. So zog sich der ehrgeizige Diplomat in die Wissenschaft zurück und wurde Professor an der Central European University. In seinem ersten Interview als neuer Außenminister sprach das einstige aktive MSZP-Mitglied von der Notwendigkeit einer »nationalen Außenpolitik«. Es sei wichtig, Ungarns Interessen an die erste Stelle zu setzen, betonte er. Darunter schloss er auch die ungarischen Minderheiten in den Nachbarländern ein.
WH

Die dritte Kraft
Bei der Europawahl sorgten die ungarischen Bürger für einige Überraschungen. Am haushohen Sieg des Fidesz hatten im Vorfeld wenige gezweifelt, dass aber die rechtsorientierte Partei Jobbik nur knapp hinter MSZP liegen wird und SZDSZ sich sogar der erst vor wenigen Monaten gegründeten grünen Partei LMP geschlagen geben muss, hatten wohl nur wenige erwartet. Die Wahlbeteiligung lag bei 36,28 %. Damit konnten sich in Ungarn mehr Wähler für die Europawahl begeistern als in fast allen umliegenden Ländern. Slowenien und Rumänien meldeten Wahlbeteiligung von rund 27 %, die Slowakei nur 19,6 %, nur in Österreich gingen mit 42,4 % mehr Wähler zur Urne als in Ungarn. Der EU-Durchschnitt lag bei 43,39 %. Das Wahlergebnis selbst zeigt hingegen ein ganz anderes Bild als dasjenige, das die Meinungsforschungsinstitute erwartet hatten. Am wenigsten überraschend ist die absolute Mehrheit des Fidesz mit 56,37 % aller Stimmen.
Mit 14 Sitzen holte die Partei ein erwartungsgemäßes Ergebnis. Bei MSZP hingegen herrschte Katzenjammer. Zwar hatte man mit einer herben Wahlniederlage gerechnet, aber dass die Sozialisten lediglich knappe 3 % vor Jobbik landen werden und vier Abgeordnete ins Europaparlament schicken werden, hatten die wenigsten gedacht. In Budapest feierte Jobbik derweil ausgelassen den Sieg. Das Ergebnis dürfte die politische Landschaft Ungarns nachhaltig verändern. Beim MDF gab man sich dagegen betont nüchtern. Die Partei schickt ihren Spitzenkandidaten Lajos Bokros ins Europaparlament. Die zweite Erfolgsstory konnte die erst vor wenigen Monaten gegründete grüne Partei »Lehet Más a Politika« im Verbund mit der Humanistischen Partei schreiben. Die gemeinsame Liste der beiden Parteien erreichte landesweit 2,6 %. Die Partei sei »auf der politischen Landkarte Ungarns vermerkt,« sagte der Parteisprecher. Für besondere Freude bei LMP sorgte, dass der Rivale der Partei, der SZDSZ, weniger Stimmen holte. Die Liberalen, einst maßgeblich an der Wende in Ungarn beteiligt, holten mit 2,16 % das schlechteste Wahlergebnis in der Geschichte der Partei.
WH

Fidesz fordert Neuwahlen
In einem Brief forderte Fidesz die regierenden Sozialisten zu Neuwahlen auf. Fidesz-Chef Viktor Orbán ist sich einer einfachen Mehrheit so sicher, dass er die fast 15 % der rechtsradikalen Partei Jobbik als unbedeutend herabspielt. Die deutliche Niederlage der MSZP bei der Europawahl am 7. Juni deutet der Fidesz als Vertrauensverlust der Bürger in die Sozialisten. In einer Demokratie sei das mit Neuwahlen gleichzusetzen, erklärte Fidesz-Chef Viktor Orbán in dem Brief. Orbán fordert die Regierung des Weiteren auf, alle Privatisierungsprozesse zu stoppen, den Entwurf der Immobiliensteuer, des neuen Bürgerlichen Gesetzbuches und der Umstrukturierung des Verwaltungssystems zurückzuziehen, die Umstrukturierung des Bildungssystems und die finanzielle Unterstützung aus dem IWF-Kredit zu stoppen. Sollte das nicht geschehen, verspricht er, dass er bei einem Wahlsieg des Fidesz bei den kommenden Parlamentswahlen 2010 die genannten Maßnahmen wieder rückgängig machen werde.
WH

Liberale Hoffnungslosigkeit
SZDSZ, der große Verlierer der Europawahl, ist in Panik. Im Juni folgten vier Vorstandsmitglieder Parteichef Gábor Fodor, der noch in der Wahlnacht seinen Rücktritt bekannt gegeben hatte. Vier Vorstandsmitglieder wollen künftig nicht mehr in der Parteiführung mitwirken. Laut eigenen Angaben hatten sie diesen Entschluss bereits nach der Entscheidung des Parteivorstands, die Wahl Gordon Bajnais zum Ministerpräsidenten zu unterstützen, gefasst, wollten aber keine Unruhe in den Europawahlkampf bringen. Neben dem Vorsitzenden Fodor und den vier Vorständen trat auch der Wahlkampfleiter Gábor Horn zurück. Aber nicht nur auf der personellen, auch auf der inhaltlichen und strategischen Linie will sich die liberale Partei erneuern. Ein Parteileiter schlägt vor: zusammen mit der gesamten Parteiführung sollen auch die 19 Parlamentarier des SZDSZ zurücktreten und den Platz für frische Kräfte frei machen.
WH

Politische Neuordnung
Obgleich die kürzlich abgehaltenen Europaparlamentswahlen für die Zukunft der EU von großer Bedeutung sein dürften, kreiste der Europawahlkampf in Ungarn vor allem um innenpolitische Themen. Dies war auch nach dem Urnenwahlgang nicht anders. Die Europawahlen werden voraussichtlich große Auswirkungen auf die Parteien und das politische Leben in Ungarn haben. Jobbik vermochte kraft seiner rechtsradikalen Ideologie, dem Bedienen der in der Gesellschaft weit verbreiteten Vorurteile gegen die Roma und dem Medienecho rund um ihren uniformierten Arm »Ungarische Garde« nahezu 15 % der Wählerstimmen und somit drei Mandate zu erlangen. Wirtschaftskrisen ziehen zumeist die Stärkung radikaler politischer Kräfte nach sich. In Ungarn indes ist von viel mehr die Rede. Jobbik richtet sein Augenmerk auf Problemfelder, die von der politischen Elite in den vergangenen Jahren vernachlässigt worden sind: die Verarmung einzelner Regionen, die ethnischen Gegensätze zwischen Ungarn und Roma, die Ungerechtigkeiten des Sozialsystems und die in Ernüchterung mündende postkommunistische Transformation. Zwar konnte der Fidesz die Wahlen überlegen gewinnen. Allerdings scheiterte Fidesz-Chef Viktor Orbán einmal mehr daran, die rechte Wählerschaft unter einem Banner zu vereinen. Man kann sogar sagen, dass neben der MSZP nunmehr Jobbik der größte Rivale des Fidesz sein wird. Wiewohl die linksliberale Parlamentsmehrheit weiterhin fortbestehen wird, hat die Regierung die Unterstützung der Gesellschaft sichtlich verloren.
WH

Leben in Bátaszék

Der städtische Haushaltsplan für das Jahr 2009 hat ein Volumen von knapp 7 Mio. Euro. Das ist weniger als im Vorjahr, weil vor allem die staatlichen Zuschüsse gekürzt wurden. Für Bildung und Soziales kann so weniger ausgegeben werden. Ein großer Ausgabenbrocken sind z.B. fast 200000 Euro für das Hallenbad. Für soziale Zwecke sind 280000 Euro vorgesehen, für Straßenschäden, Straßenbeleuchtung und Abwasserbeseitigung sind 13000 Euro eingestellt. Insgesamt rechnet man mit einer Inflationsrate von 8 % bis 2010.
Weiter ausgebaut und technisch verbessert wird das Kulturhaus, Staatszuschüsse erwartet man für die Verbesserung der Frischwasserqualität nach EU-Vorschriften und die Stadtentwicklung durch den Ausbau der Plätze vor dem Kulturhaus und der Stadtbibliothek. Dazu sollen die noch bestehenden Wassergräben fließgerecht saniert werden.
In Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt in Szekszárd bemüht man sich verstärkt um das Wohlergehen von Behinderten, die ausdrücklich aufgefordert werden, ihr Recht auf guten Pflegedienst einzufordern und in Anspruch zu nehmen.
Im 18 km von Bátaszék entfernten Bátaapát hat die Bevölkerung der Lagerung von schwach radioaktivem Müll aus dem ungarischen Atomkraftwerk zugestimmt. Im inzwischen fertigen Schacht wird seit Februar des Jahres in Nischen bereits solcher Müll gelagert, für weiteren werden Lagerstätten in der Tiefe bis 2011 eingerichtet. Zusammen mit erfahrenen slowakischen und österreichischen Arbeitern will man dabei sehr sorgsam vorgehen und die Bauvorschriften kontrolliert einhalten, damit keine Unfälle passieren.
Weiteren energischen Widerstand gibt es gegen den eventuellen Abbau von Uran im Raum Bátaszék. Eine Beobachtergruppe hat ein tschechisches Uranbergwerk und seine Umgebung in Straz eingehend besichtigt und erfahren, dass die Sanierung der dortigen Anlage und der verwüsteten Umgebung bis 2035 dauern und 1,3 Milliarden Euro kosten werde. Auch wegen der katastrophalen Landschaftszerstörung müsse ein solches Bergwerk in ganz Ungarn vermieden werden.
Die in Bátaszék bestehende Bürgerwache, die aus Freiwilligen besteht, ist Tag und Nacht im Einsatz, bewacht Autos auf öffentlichen Parkplätzen, sorgt bei Veranstaltungen für Sicherheit und Ordnung und bemüht sich, Räuber und Plünderer von Aussiedlerhöfen fernzuhalten.
Das kulturelle sportliche Leben in der Stadt ist weiterhin sehr vielseitig. Der Deutsche Verein hat einen neuen Vorsitzenden, eine Buchreihe über Székler Familien in der Bukowina ist erschienen und vorgestellt worden, es gab einen Tanz in den Mai um den Maibaum herum, ein Konzert der Kirchenchöre der Umgebung beeindruckte und die Karatesportler haben bei internationalen Wettkämpfen in Kartal Gold-, Silber und Bronzemedaillen gewonnen.

Gustav Bächler, Adelheid Teiber
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