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Zum Feierabend

»Hullerbreikochen« in Máriakéménd

»Hullerbreikochen« in Máriakéménd
Beim Hullerschneiden
Foto: Elsa Koch
Eine schöne Tradition war in Máriakéménd das Hullerbreikochen. Im Herbst, wenn die Arbeit auf den Feldern und in den Weingärten getan war und der Attich, in Máriakéménd Oddich oder auch Huller genannt, schön schwarz und reif war, dann wurde der Hullerbrei gekocht. Der Attich wächst nicht wie der richtige Holunder auf großen Sträuchern, sondern er ist eine Staudenpflanze. Oben auf den Stängeln befindet sich eine große Dolde mit dicken schwarzen Beeren. In den Kräuterbüchern wird der Attich als sehr giftig beschrieben. Doch die Máriakéménder wussten sich zu helfen und sie konnten den als giftig geltenden Attich so verarbeiten, dass er unbedenklich genießbar wurde. Sie machten daraus einen heilsamen Brei bzw. Saft, der bei Erkältungskrankheiten als Medizin für die Atemwege eingenommen wurde.

Vor Beginn der Aktion trafen sich alle, die mitmachen wollten und es wurde ein Plan gemacht und vereinbart, wer zum Huller schneiden geht, wer die geschnittenen Dolden heimfährt und wer kocht. Bei unserem letzten Urlaub habe ich gesehen, dass an den Hängen neben der Straße von Máriakéménd nach Pécsvárad eine große Menge Ottich bzw. Huller wächst und da ist mir die Geschichte vom Hullerbreikochen wieder eingefallen und mit welcher Begeisterung wir Kinder dabei waren.

Schon das ganze Jahr über merkte man sich die Plätze, wo viel Huller wächst. Wenn die Beeren reif waren, ging schon am frühen Morgen eine Gruppe Frauen, mit Eimern, Körben und Messern ausgerüstet, zum Huller schneiden. Die abgeschnittenen Dolden wurden in bereitstehende Fässer gefüllt. Oft war diese Arbeit auch sehr mühsam, da der Huller überwiegend an Hängen gewachsen ist. Die Männer kamen mit Pferd und Wagen zum Abholen der Ernte und brachten sie zu den Köchinnen. Auch für die Jugendlichen war das Hullerbreikochen eine interessante und lustige Arbeit. Sie bildeten natürlich eine Extra-Gruppe, die Mädchen haben den Huller geschnitten und die jungen Burschen sorgten für den Transport. Ich hab mir erzählen lassen, dass dies sehr lustige Stunden waren und mancher Schabernack dabei getrieben wurde.

Ganz hinten im Hechwald, auf der rechten Seite, war vor einem Keller ein großer freier Platz. Dort waren ca. acht große Kessel aufgestellt und zu jedem Kessel war eine Köchin eingeteilt. Der Huller wurde durch eine Presse getrieben. Dann musste der Saft stundenlang gekocht und gerührt werden. Der Saft bildete anfangs ziemlich viel rötlichen Schaum und dieser musste immer wieder abgeschöpft werden. Der Hullersaft musste so lange gekocht und gerührt werden bis er keinen rötlichen Schaum mehr entwickelte. Vermutlich wurde mit dem Schaum die giftige Substanz aus dem Attich herausgekocht. Bei meinen Nachforschungen hat mir eine Frau aus Máriakéménd erzählt, dass der Saft mindestens sieben Stunden gekocht werden muss, damit er genießbar wird. Oft wurde noch viel länger und oft auch die Nacht über gekocht und gerührt. Es war eine sehr schwere Arbeit. Auch die Frauen, welche beim Schneiden waren, mussten sich anstrengen, damit sie immer Nachschub liefern konnten, wenn die Männer wieder mit ihren Pferdewagen kamen.

Wir Kinder waren natürlich immer dabei, durften jedoch nicht zu nahe kommen, da der Saft sehr heiß war und beim Rühren spritzte. Wenn der Hullerbrei fertig war, wurde er zu gleichen Teilen an die beteiligten Familien verteilt. Und das ging so: Die Beteiligten stellten sich in einem großen Kreis auf. Jeder hatte ein Gefäß bereit. Die Köchin ging mit einem großen Schöpflöffel reihum und versuchte den Hullerbrei gerecht zu verteilen.

Wenn die Kessel leer waren, kam die große Stunde für uns Kinder, auf die wir schon lange warteten. Ausgestattet mit Weißbrot durften wir die Kessel austunken. Wir waren verschmiert von einem Ohr bis zum anderen.

Ich kann mich noch erinnern, dass meine Mutter den zugeteilten Saft in einer Milchkanne mitgenommen hat und daheim wurde er in Flaschen abgefüllt. Das Produkt war sehr dickflüssig, dicker als Saft und dünner als Marmelade und so konnte man den Hullerbrei nicht aufs Brot streichen.

Deshalb hat meine Mutter ein wenig von dem Hullerbrei in eine kleine Schüssel getan und ich durfte mit Weißbrot eintunken. Als Heilmittel gegen Fieber und Erkältung wurde von dem Saft getrunken. Der Hullerbrei hat einen sehr eigenwilligen, herben Geschmack und ist gewöhnungsbedürftig. Doch wer ihn, wie ich, bereits als Kind kennengelernt hat, dem ist der Geschmack vertraut und es ist eine schöne Erinnerung an eine wunderbare Zeit in Máriakéménd, zu der das »Hullerbreikochen« und das ganze Drumherum einfach dazugehörte.
Elsa Koch
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