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Kultur

»Nach der heißgeliebten Heimat immer es mich zieht«

Paul Abrahams Operette »Viktoria und ihr Husar« am Gärtnerplatztheater in München
»Nach der heißgeliebten Heimat immer es mich zieht«
Alexandra Reinprecht (Gräfin Viktoria) und Daniel Prohaska (Stefan Koltay)
Foto: Klaus J. Loderer
»Viktoria und ihr Husar« ist eines der Stücke, bei dem, abgesehen von einer Schulklasse, große Teile des Publikums im Gärtnerplatztheater die meisten Musiknummern mitsingen könnten und sie eventuell sogar mitsummen. Und obwohl ich diese Operette noch nie im Theater gesehen habe, erkenne ich fast alle Melodien. »Meine Mama war aus Yokohama« und »Mausi, süß warst du heute Nacht« sind zwei der lustigen Nummern, »Reich mir zum Abschied noch einmal die Hände« eine der rührseligen. »Viktoria und ihr Husar« ist die Operette, mit der Paul Abraham in Deutschland berühmt wurde. Am 21. Februar 1930 in Budapest uraufgeführt, hatte sie am 7. Juli 1930 in Leipzig ihre deutsche Erstaufführung und lockte kurze Zeit darauf das Berliner Publikum. Die Produktion des Gärtnerplatztheaters im Prinzregententheater von 2016 ist nun in das renovierte Stammhaus umgezogen und hatte dort am 27. Januar Spielzeitpremiere.

Genauso international wie das Bühnenpersonal sind die Handlungsorte dieser Operette: Sibirien, Tokio, Sankt Petersburg und Ungarn. Eigentlich eine absurde Geschiche: Ein ungarischer Husar findet seine einstige Verlobte in Tokio als Ehefrau des amerikanischen Botschafters wieder, reist mit beiden nach St. Petersburg, trifft sie später in ihrem Heimatort in Ungarn wieder, wo sie gerade dabei ist, den Botschafter, von dem sie sich gerade hat scheiden lassen, wieder zu heiraten.

Doch setzt »Viktoria und ihr Husar« mit für eine Operette tragischen Akkorden ein. Ein Kriegsgefangenenlager in Sibirien nach dem Ende des Ersten Weltkriegs ist auch nicht gerade das übliche Ambiente der »leichten Muse«. Und der Husar wartet gerade auf seine Hinrichtung. Das ist eher »Doktor Schiwago« als eine Komödie. Diese Handlungsbasis verschärft Regisseur Josef E. Köpplinger (der auch eine eigene Textfassung erarbeitet hat) noch, indem er dem Husarenrittmeister Koltay nicht wie in der Originalhandlung am Ende des Prologs durch die Gnade des Kosaken Petroff, dem Koltays Bursche Janczy seine Geige schenkt, die Flucht gelingen lässt. In München trennt sich Janczy nicht von seiner Geige. Der sadistische Petroff denkt sich nun ein Spiel aus: wenn Koltay ihn mit seiner Liebesgeschichte rühren kann, besteht vielleicht eine Chance.

Also malt sich Koltay aus, wie er seine geliebte Viktoria wiedersehen könnte. Um die Stringenz dieser Erzählung zu steigern, wird das Stück ohne Pause aufgeführt und auf nicht einmal eineinhalb Stunden gestrafft. Tatsächlich gelingt der Spannungsbogen, nicht zuletzt durch die fließenden leichten Veränderungen im Bühnenbild von Karl Fehringer und Judith Leikauf und die geschickten Einfädelungen der jeweiligen Staffage in das Kriegsgefangenenlager. Eigentlich bleibt der Raum das Kriegsgefangenenlager, dem man ansieht, dass es sich um einen alten Theatersaal handelt – über der Bühne prangen noch Reste des Zarenwappens. Doch plötzlich wähnen wir uns in der amerikanischen Botschaft in Tokio. Diesen Effekt bewirken vor allem die Kostüme von Alfred Mayerhofer, der für Nationalkolorit sorgt und mit der bunten Farbenpracht des japanischen Chors den Blick vom Grau der Kriegsgefangenen wegzieht. Mit Kimonos und bunten Schirmen entstehen Japan-Bilder. Die zu dicken Sumoringern aufgeblähten Tänzer sorgen als köstliche Persiflage für Kichern im Publikum (Choreographie Karl Alfred Schreiner). Überhaupt jagt in der Tokio-Szene ein musikalischer Hit den anderen und eine lustige Posse die nächste.

Ohne Unterbrechung geht es weiter nach Petrograd, wie Sankt Petersburg in der Inszenierung passend genannt wird, um das revolutionäre Russland zu zeigen, genauer zu einem Ball in der amerikanischen Botschaft und schließlich zu einem üppig mit ungarischen Trachten ausgestatteten Winzerfest in Dorozsma in Ungarn. Die Szenen gehen in München ohne Pause ineinander über, bissig kommentiert von Leutnant Petroff und dem verzweifelten Kultay. Beim Winzerfest mit vielen Ungarnklischees malt er sich das Happy End aus. In München ist aber noch ein Epilog angehängt. Wie wird Petroff entscheiden? Schon zückt er seine Pistole. Ein Zögern. Er schickt die Wachen weg und öffnet das Tor. Die Flucht kann gelingen. Ob Koltay seine Viktoria tatsächlich wiederfinden wird, lässt die Inszenierung aber offen.

Eine solche detaillierte Inszenierung kann nur gelingen, wenn man die passenden Gesangsdarsteller auf der Bühne hat. Und das im Gärtnerplatztheater der Fall. Da ist in der Vorstellung am 31. Januar vor allem Gunther Gillian zu nennen als perfider Leutnant Petroff. Daniel Prohaska gibt der Tenorpartie des Stefan Koltay feinen Schmelz. Viktoria wird von Alexandra Reinprecht gesungen. Erwin Windegger spielt den amerikanischen Gesandten John Cunlight kühl elegant. Natürlich gibt es auch ein Buffopaar. Genauer gesagt, gibt es zwei. Das ernsthaftere Buffopaar bilden Peter Lesiak und Susanne Seimel als Graf Ferry und seine Braut O Lia San (eine wunderbare Sing- und Tanznummer ist das berühmte »Meine Mama«. Und dann gibt es noch das quirlig-lustige Buffopaar. Das ist Josef Ellers als Rittmeisterbursche Janczy, der verliebt ist in Riquette, die Zofe Viktorias (eine Französin, die sich schließlich als Ungarin herausstellt), gespielt von Katja Reichert. Mit der Szene, wenn Riquette im Bad Janczy abschrubbt und ihn mit immer kleiner werdenden Handtüchern auf Trab hält, räumen die beiden beim Publikum ab. Steif-englisch gestaltet Maximilian Berling den Butler James. Und das Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz sorgt im Graben für flotte Rhythmen und viel stimmungsvollen Puszta-Klang. Auch wenn der typische Paul-Abraham-Jazz schon auftaucht, dominiert in dieser Operette noch ein stark ungarischer Klang. Beides arbeitet Dirigent Andreas Partilla, der die Operette übrigens zum ersten Mal dirigiert, gut heraus.
Klaus J. Loderer
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