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Zum Feierabend

Kindheit in der Fremde

Was eine Familie aus Soroksár in der neuen Heimat erlebte – in der Volksschule in Sulzdorf (1)
Hüttlingen, die landschaftlich schön am Kocherknie gelegene Gemeinde wurde im Laufe des Jahres 1946 zur neuen Heimat von etwa 800 Vertriebenen und geflüchteten Personen aus den deutschen Ost- und den deutschen Siedlungsgebieten Osteuropas. Die Stammgemeinde hatte zu dieser Zeit eine Einwohnerzahl von etwa 1300 Personen. Dazu kamen noch die Filialen Niederalfingen, Sulzdorf, Seitsberg und einige Höfe mit nochmals etwa auf 300 Bewohnern. Die Gemeinde war hauptsächlich kleinbäuerlich geprägt. Durch die größeren metallverabeitenden Industriebetriebe in Aalen und vor allem in Wasseralfingen (SHW – Schwäbische Hüttenwerke und die Alfing-Werke) gab es in der Gemeinde auch einen recht hohen Anteil von Arbeitnehmern, vor allem auch daraus resultierend, dass die relativ kleinen Bauernhöfe nur im Nebenerwerb bewirtschaftet wurden.

In diesen homogenen Bevölkerungsblock – fast alle Familien waren untereinander verwandt – mussten jetzt, 1946, etwa 40% Fremde, »Flüchtlinge« aufgenommen und vor allem auch untergebracht werden. Dies war kein leichtes Unterfangen und führte oft zu zum Teil heftigen Konflikten, zumal auch die »Einheimischen« nicht gerade üppig mit Wohnraum ausgestattet waren.

Arbeitsplätze in der Industrie gab es für die Neuankömmlinge genug, da die Belegschaften der Betriebe durch die vielen Kriegsopfer – Hüttlingen hatte etwa 100 Gefallene zu beklagen – ziemlich stark dezimiert waren. Für uns ungarndeutschen Vertriebenen kamen aber meist nur die nicht unbedingt beliebten Hilfsarbeiterplätze in Gießereien, Gesenkschmieden und Walzwerken in Frage. Die leichteren, angenehmeren Arbeitsplätze im Maschinenbau in der Dreherei und in den kaufmännischen Bereichen waren nicht zu erreichen, da vor allem die allermeisten Ungarndeutschen »Flüchtlinge« aus dem bäuerlichen Milieu stammten und keinerlei Ausbildung aufweisen konnten. Bessere Aussichten hatten unsere sudeten-deutschen Schicksalsgenossen mit Berufsausbildungen und vor allem oft mit exzellenten Kenntnissen in der deutschen Sprache in Wort und Schrift. Wie »armselig« – in sprachlichem Sinne – standen unsere Eltern in der neuen Umgebung da.

Für die etwa 150–200 Kinder der Vertriebenen begann hier in Hüttlingen ebenfalls ein neuer Lebensabschnitt mit dem Schul- oder dem Kindergartenbesuch. Besonders schwer hatten es die bereits ihrer Schulpflicht »entwachsenen« Mädchen und Jungen, standen sie doch vor der Berufswahl und waren dafür eigentlich absolut nicht vorgebildet. Viele der 14- bis 16-Jährigen scheiterten bei einer Berufsausbildung an den sprachlichen Hürden. Andere versuchten erst gar nicht, einen Beruf zu erlernen und fanden sich mit dem Hilfsarbeiter-Status ab.

Ich gehörte dem Schuljahrgang 1939/1940 an und hatte das große Glück, meine »Schulkarriere« von Anfang an hier in Deutschland zu beginnen. Zunächst wurde ich in die zweiklassige Volksschule in Sulzdorf eingeschult (darüber habe ich im Beitrag »Einschulung in der schwäbischen Provinz« berichtet).

Nachdem mein Vater seinen »Knecht- Status« auf der »Tanya« gegen einen Hilfsarbeiter- Arbeitsplatz eingetauscht hatte und wir eine Neun-Quadratmeter-Wohnung in der Stammgemeinde bezogen hatten, durfte ich Schüler einer ersten Klasse werden.

Unsere Lehrerin, Fräulein Grimm (Nomen est omen), schaute meist »grimmig« drein und war alles andere als eine verständnisvolle, liebevolle und geduldige Pädagogin. Obwohl sie den Dialekt der »Einheimischen« noch tolerierte, waren die Dialekte der »Flüchtlingskinder« für sie ein rotes Tuch, ja gar ein dunkelrotes. Sie verlangte von uns »Deutsch« zu sprechen. Dabei waren alle meiner »Flüchtlingskameraden« gerade dabei, ihre erste »Fremdsprache«, nämlich »Schwäbisch« zu erlernen. Dazu kam noch die zweite Fremdsprache »Hochdeutsch«, die Sprache in der Fibel. [...]
Johann Wachtelschneider
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